Beate und der Verfassungsschutz

In »A wie Aufklärung« demaskiert das Nö-Theater mit Verve die »Pannen« im NSU-Prozess

Vier Jahre ist es her, dass sich das Kölner Nö-Theater in seiner dokumentarischen Polit-Groteske »V — wie Verfassungsschutz« mit den Verstrickungen des deutschen Inlandgeheimdienstes in die NSU-Morde beschäftigte. Zeit für eine Bestandsaufnahme, die in »A wie Aufklärung«, trotz öffentlicher Debatte und NSU-Prozess, entlarvend und ernüchternd ausfällt.

 

Weder die vollmundigen Versprechungen von Seiten der Kanzlerin, noch die langsam mahlenden Mühlen der Justiz in München haben bislang Aufklärung erbracht. Warum das so ist, versuchen die Nös unter Leitung von Janosch Roloff exemplarisch und strukturell zu ergründen. Beispielhaft wird der Fall Andreas Temme aufgerollt: warum sich der hessische Verfassungsschützer wirklich zur Tatzeit des neunten NSU-Mordes am 6. April 2006 im Internet-Cafés des Opfers Halit Yozgat in Kassel aufhielt, bleibt bis heute sein Geheimnis. Hilfe beim Vertuschen gab es von seiner Behörde, die Einfluss auf das Aussageverhalten von Temme genommen, Akten geschwärzt und Unterlagen über Informationen von V-Leuten nicht herausgegeben hat. Auf der Bühne bekommt der Zuschauer Andreas Temme gleich in vierfacher Ausführung zu sehen. Die Kunst, sich zu verkleiden, neue Rollen anzunehmen, Szenarien zu entwickeln, ist dem Theater wie den Geheimdienstlern gleichermaßen eigen, nur soll das Spiel der multiplen Identitäten hier auf der Bühne Licht ins Dunkle bringen.

 

Die Fülle der Informationen wird in durchgespielten Versionen so gefächert, bis die Strukturen von Vertuschung und Verschleierung von Seiten des Verfassungsschutzes offen liegen. Auch auf groteske Tableaus greift das Stück zurück. Der »Ver-Faschings-Schutz-Ball« zeigt das Innenleben und Selbstverständnis der Behörde als schrille Kabarett-Nummer, um gleich aber wieder auf die Spaßbremse zu treten, wenn es vielsagend heißt: »Uns ist es recht, wenn wir von der Öffentlichkeit belächelt werden.«

 

Die Frage, ob der Verfassungsschutz nun versagt oder bewusst vertuscht hat, greift auch das Finale auf. Bei einer Art »Heilbronn-Halloween-Revue« treten gleich scharenweise in den Fall verstrickte aber nicht behelligte Neonazis als Zombies auf. Auch Beate Zschäpe darf hier, grandios demaskiert von Lucia Schulz, Krokodilstränen vergießen, bis ein pointierter Paukenschlag ihren unsäglichen Redefluss ein Ende bereitet. Ein gelungener Schlusspunkt für den wachen Blick auf ein bundesdeutsches Trauerspiel, dessen letzter Akt noch lange nicht geschrieben ist.

 

»A wie Aufklärung«, A + R: Nö-Theater, 3.– 5.11. (20 Uhr), 6.11. (18 Uhr) Orangerie