Nicht die Bohne!

Jetzt, wo die Grippewelle über den Kontinent schwappt, trinkt man auch hierzulande Tee. Dem allgegenwärtigen Kaffee können allein Erkältungstees Paroli bieten. Aber selbst die sind bloß, wie es im Amtsdeutsch heißt, »teeähnliche Erzeugnisse«, also Kräuter- und Früchtemischungen, die »Träum schön« säuseln oder uns kumpelhaft »Gute Verdauung« wünschen.

 

Das ist die deutsche Teekultur. Die paar Assam-Trinker an den Küsten und Yoga-Frauen auf Grüntee-Diät ändern daran nichts. Und was macht die Hochküche? In guten Restaurants wird allenfalls zum Dessert ein Kännchen Tee aufgebrüht. Da wundert es nicht, dass im Schwarzwald eines der besten deutschen Restaurants eine Tee-Produktlinie lanciert, die Oolong mit Milcharoma anbietet.

 

Wo also bleibt die kulinarische Erschließung des Tees? Hier und da wird mal modischer Matcha in der Sauce verrührt, aber das sind bloß Gimmicks. Dabei ist beim Tee von herb-grasigen über florale bis zu erdigen, malzigen Aromen alles möglich. Warum statt Wein keine Tee-Begleitung im Menü? Oolong und grüne Tees zu blanchierten Gemüsen und dampfgegartem Fisch, und oxidierter, schwarzer Tee zu Gerichten mit Röstaromen — das sind naheliegende Versuchsanordnungen. Von dort aus ließe sich mit Aufgüssen, Ziehzeiten und Temperaturen experimentieren. Natürlich hat es Tee schwer gegen rabiate Würzungen. Aber von wem, wenn nicht von der Hochküche, dürfen wir ein Kochen erwarten, das aufhört mit den Knalleffekten vordergründiger Aromen? Schluss mit gustatorischem Kitsch, mit Schärfe, gebratenem Knoblauch, Gewürzmischungen — dann hätte der Tee eine Chance.

 

Von der alternativen Küche ist indes nichts zu erwarten: Die Ignoranz vieler Vegetarier gegenüber Wein ist schon schwer zu begreifen (und noch schwerer zu ertragen). Aber warum meidet man dort auch den Tee? Da trinkt man zum Tofu-Auflauf — Saft. Auch dort ist Tee vor allem Diät-, Selbst­optimierungs- und eben Erkältungsgetränk. Wenn jetzt noch ein Kaffeeröster oder eines der WLAN-Bistros einen »Er­kältungskaffee« erfände, gäbe es Tee-Erzeugnisse bloß noch als Durstlöscher im Kindergärten.