Unschärferelation

Lore Stefanek inszeniert in Düsseldorf Heisenberg als Edelboulevard in Starbesetzung

Die aufdringliche Amerikanerin Georgie Burns hat den verschlossenen Iren Alex Priest, über dreißig Jahre älter, in der U-Bahn auf den Nacken geküsst. Versehen? Absicht? Durchgeknalltheit? Zwei einsame Großstadtgestalten treffen im neuen Stück des britischen Dramatikers Simon Stephen aufeinander. Sie: 42, notorische Schwindlerin, die sich erst als Edelkellnerin, dann als Sekretärin ausgibt, mit einem verlorenen Sohn in Amerika. Er: 75, ein Metzger mit Geld, der täglich fünfzig Worte in sein Tagebuch schreibt. Langsam schwindet sein Widerstand. Zwischen den beiden entspannt sich eine zarte Liebesgeschichte. Das Zweipersonenstück, wenn man vom rätselhaften Skateboard-Jungen absieht, der einmal über die Bühne fährt, ist gut und griffig gebaut. Sein Titel »Heisenberg« bildet den philosophischen Überbau: Der Physiker und Nobelpreisträger wurde mit der Unschärferelation bekannt. Sie besagt in etwa, dass zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens gleichzeitig nicht genau messbar sind.

 

Auf die Liebe der ganz und gar unterschiedlichen Personen Georgie und Alex bezogen, heißt das: Sie können sich nicht zugleich nah kommen und so lassen, wie sie sind. Ihre Liebe ist zeitlich begrenzt. Dennoch wirkt die Analogie bemüht. Das macht jedoch nichts. Die Bühne ist eine langgezogene Halfpipe, die ein wenig aussieht wie eine Küchenarbeitsplatte — eine Art Kurzzeitmesser zählt in roten Digitalbuchstaben die Stunden, die der Liebe bis zum Einbruch des Alltags  bleiben.

 

Davor spielen die Schauspielgrößen Caroline Peters und Burghardt Klaußner in der Regie von Lore Stefanek ihre Liebesannäherung in traumwandlerischer Tiefe und lustiger Unaufgeregtheit. Caroline Peters ist ehrlich, nervig, traurig und liebenswert zugleich. Burghardt Klaußner schafft den Spagat, zugleich verschlossen, starrköpfig und anziehend ruhig zu wirken. In ihrer ersten Liebesnacht lässt er plötzlich in diskreter Sexiness den röhrenden Elvis aus sich heraus. Man fühlt mit diesem Paar. Als die beiden schließlich gemeinsam nach Amerika fahren, um Georgies Sohn zu suchen, platzt die Tapete auf und gibt einen riesenhaften Sternenhimmel und eine etwas deformierte Freiheitsstatue frei: die Liebe ist potentiell eine unendliche Konstante.

 

Die Heisenberg-Konstruktion hätte es nicht zwingend dazu gebraucht, um eine anrührende Liebesgeschichte von heute zu erzählen. Die gelingt in Düsseldorf als intelligenter Edelboulevard über die Möglichkeit und Unmöglichkeit von Liebe