Gemischtes Doppel, schönes Zuspiel

Das Gipfeltreffen Von Dürer bis van Gogh im Wallraf ist nicht umfangreich, aber groß

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden in der Schweiz einige außerordentliche Privatsammlungen europäischen Kunst. Zu ihnen gehört die des deutsch-schweizerischen Unternehmers Emil Georg Bührle (1890–1956). In­­nerhalb von nur zwanzig Jahren erwarbt er eine hochkarätige, dem Zeitgeschmack entsprechende Kollektion (Mittelalter, Niederländer, Impressionisten, ein wenig Pariser Moderne), die 1960 von der Züricher »Stiftung Sammlung E. G. Bührle« öffentlich zugänglich gemacht wurde.

 

Seit einigen Jahren befinden sich diese Werke in einer Art Wartestand: Das stiftungseigene Haus musste aus Sicherheitsgründen aufgegeben werden, ein Anbau des Kunsthauses Zürich ist noch nicht fertig. So befinden sich größere Konvolute der Sammlung Bührle weltweit auf Reisen. Im »Wallraf« sind zwar nur 33 Werke aus einem sehr viel größeren Bestand zu sehen, aber schon sie allein lohnen mehr als einen Besuch.

 

Was »Von Dürer bis van Gogh« zu einem wahren Pracht- und Knallstück unter den Gastsammlungsschauen macht, ist das intensive Zusammenspiel mit gut dreißig Werken aus dem hauseigenen Bestand. Es fanden sich erstaunliche Paare und kleine Gruppen, die einerseits das Profil der Gastsammlung eindrucksvoll sichtbar machen. Andererseits stellen sie neue, alte, augenöffnende, blickweitende Zusammenhänge her, von denen Gast- und Heimkunstwerke — und alle die sie betrachten — gleichermaßen profitieren.

 

Schon das Entree wartet mit so einer Begegnung auf, einem Bilderpaar des Niederländers Aelbert Cuyp, der um 1645 zwei formatgleiche, gegensätzliche, wolkenreiche Ansichten seiner Heimatstadt Dordrecht als Pendants schuf: eine elegisch-traumhafte des nächtlichen Hafens, neben der nach Jahrhunderten der Trennung nun das dramatisch illuminierte Gegenstück hängt, eine von einem gewaltigen Gewitterblitzen bedrohte Stadtsilhouette. Eine andere Form der Verbindung zeigt das nun mögliche Nebeneinander zweier Flusslandschaften des Impressionisten Alfred Sisley. Sie entstanden vermutlich an einem Arbeitstag im Sommer 1874 in Hampton Court, die Kölner Brückenansicht morgens, die Züricher »Regatta« nachmittags. Sie bieten schönste Vergleichsmöglichkeiten malerischer Lichtübersetzung und atmosphärischer Räumlichkeit.

 

Aber auch die Zusammenschau über große Distanzen inszeniert »Bührle trifft Wallraf« meisterhaft. So leuchtet die religiöse Grundierung des Bildmotivs der stillenden Mutter eines Tahiti-Bildes von Paul Gaugin in der Nachbarschaft zweier spätgotischen Mariendarstellungen unmittelbar ein. Komplizierter ist die Beziehung zwischen Georges Braques »Violinspieler« von 1912, ein Züricher Meisterstück aus der Hochzeit des Kubismus mit einer spannungsreichen, kaum noch identifizierbaren Aufsplitterung des Motivs, dem »Pfeifer und Trommler« von Albrecht Dürer zur Seite gestellt ist. Was sie verbindet — hier hilft der lesenswerte Katalog — ist die artifizielle Figurenkonstruktion Dürers, auch er entwickelt seine Körper aus Kuben, Zylinder, Kegeln wie sein französischer Kollege gut vierhundert Jahre später.

 

Wie sich die malerisch so wagemutigen Neuerer des 19. Jahrhunderts an traditionellen niederländischen Stilleben orientierten, wird an Werken Renoirs und einem virtuosen »Uhu« Eduard Manets deutlich, die jeweils mit entsprechenden Stücken aus Kölner Besitz kombiniert sind. Zu sehen sind alle möglichen Beziehungsformen zwischen Kunstwerken. Manches ist vielleicht etwas seminarhaft wie die Mittelalterabteilung, aber sichtbar, anschaulich ist in dieser Ausstellung alles, was sie zu einem Fest kluger Schaulust macht.

 

Auch an Kontext fehlt es nicht. Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des durch Einheirat in eine Bankiersfamilie in die Großindustrie geratenen Emil Bührle wird ausführlich dargestellt. Er machte sein Geld als weltweit liefernder Waffenfabrikant seit 1924 in der Schweiz, war aber auch auf anderen Gebieten international unternehmerisch erfolgreich. Dass alles wird detailliert dargelegt, ebenso die Geschichte der nach seinem Tod gegründeten Stiftung und die schon früh begonnene Provenienzerforschung.

 

Auch Bührles Sammeltätigkeit ist ein Kapitel gewidmet. Zu Studentenzeiten war er an der Kunst der Gotik interessiert, zeitlebens vor allem von den französischen Impressionisten fasziniert — was ihn beim Sammeln angetrieben hat, bleibt allerdings im Dunkeln, ebenso sein Umgang mit dem Erworbenen. Wie die privaten Räume aussahen, welche Werkzusammenstellungen Bührle wählte, ist leider kein Thema dieses sonst so sehenswerten Gipfeltreffens.