Suburban Houses statt Urban Gardening: das Sürther Feld | Foto: Carmen Staebler

Alte Äpfel am Stadtrand

In Sürth soll das Konzept der »Essbaren Stadt« erste Früchte tragen

 

Auf der Brache lässt ein Bagger im Nieselregen seinen Arm herabhängen, zwischen aufgeworfenen Erdklumpen picken Krähen. Dass hier, am Rande des Neubaugebiets im Sürther Feld, bald die ersten zarten Pflänzchen der »Essbaren Stadt« sprießen sollen, ist an schwer vorstellbar. Aber noch in diesem Jahr will die Stadt beginnen, die rund 30 Hektar große Ausgleichsfläche, den sogenannten Bürgerpark, zu bepflanzen. Dann sollen Obstbäume, vor allem alte Apfelsorten, in den Boden gebracht werden. Daneben hat »Gartenglück«, ein Selbsternte-Projekt, Ackerflächen gepachtet.

 

Für Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamtes, ist dies die Fortsetzung einer seit Jahren andauernden »ökologischen Aufwertung der Grünflächen« in Köln. Im Frühjahr 2015 hatten alle Kölner Bezirksvertretungen mit Ausnahme von Nippes den Beschluss gefasst, bei der Neugestaltung von Parks und Grünstreifen essbaren Pflanzen den Vorzug zu geben. Die Verwaltung wurde beauftragt, ein Konzept dafür zu entwickeln. Vorbild sollte die rheinland-pfälzische Stadt Andernach sein, wo rund um die Ruine des mittelalterlichen Schlosses Obst- und Gemüsebeete an­gelegt worden sind, die jeder nutzen darf.

 

»In einer Großstadt wie Köln ist dieses Konzept nicht umsetzbar«, sagt Bauer. Damit fasst er jenes Papier zusammen, das der Ratsausschuss für Umwelt und Grün im Juni vorgelegt hat. Darin heißt es unter anderem, der Charme von Urban Gardening bestünde vor allem darin, dass die Stadt eben nicht pauschal Nutzungsflächen zur Verfügung stelle. Joachim Bauer sagt, das wäre angesichts von Personalmangel und der Verschmutzung von Müll und Hundekot auch überhaupt nicht möglich. »Wir müssen gucken, dass wir den Rasen gemäht bekommen«, sagt er. »Da können wir nicht auch noch Gemüse anpflanzen.« Es wichtiger, bestehende Urban-Gardening-Projekte zu unterstützen. Schließlich seien gerade innerstädtische urbane Gärten aufgrund von Bauvorhaben von vorne herein zeitlich begrenzt, so Bauer. Es sei aber noch nie passiert, dass in einem solchen Fall keine neue Fläche gefunden wurden.

 

Marcel Hövelmann, ehemaliger parteiloser OB-Kandidat, befürchtet dagegen, dass Urban Gardening vom Zentrum an den Stadtrand verdrängt werden.  Mit seiner Initiative »Urban Grün« setzt er sich seit Jahren für ökologische Projekte in der Stadt ein — denn zwischen Kopfsalat und Kohl sieht er vor allem eines wachsen: Gemeinschaft. »Gerade in einer Großstadt wie Köln sind Gemeinschaftsgärten zu wichtigen Treffpunkten des Austauschs geworden«, sagt Hövelmann. Politik und Verwaltung unternähmen aber nicht genug, um diese nachbarschaftlichen Strukturen zu erhalten. »Stattdessen versucht man, sich mit Projekten zu schmücken, die in Eigenregie entstanden sind.«

 

Auch das Sürther Feld sei dafür ein Beispiel, so Hövelmann, weil »Gartenglück« als Sprössling des Konzepts einer »Essbaren Stadt« beworben werde. Mit der Idee, die in den Beschlüssen der Bezirksvertretungen formuliert sei, habe das nichts zu tun. »Initiativen wie der 2015 gegründete Kölner Ernährungsrat haben immer betont, dass sie im Austausch mit der Stadt neue Projekte schaffen wollen«, sagt Hövelmann. Doch zu einem echten Austausch, »einer Abkehr vom Status Quo«, wie Hövelmann es nennt, sei es nie gekommen.

 

Die Bewohner des Sürther Felds sehen die Bepflanzung des Bürgerparks hingegen gelassen. Seit 2009 entsteht hier, zwischen Rodenkirchen, Sürth und Weiß, eines der größten Kölner Neubaugebiete. Rund 2000 Menschen sollen auf dem 40 Hektar großen Gebiet einmal wohnen. Vor vier Jahren sind die ersten Bewohner in die weiß verputzten Häuser gezogen, die Arbeiten des zweiten von insgesamt drei Bauabschnitten laufen gerade.

 

»Grünflächen stehen bei uns noch nicht auf der Agenda«, sagt Sebastian Erlhofer. Der Sprecher der Anwohnerinitiative ist etwas resigniert und erzählt von fehlender Straßenbeleuchtung, einer Grundschule, deren Eröffnung um voraussichtlich drei Jahre verschoben wurde, und von einem Dorfplatz mit Cafés, kleinen Läden und einem Supermarkt, dessen Bau wegen Streitigkeiten mit der stadteigenen Entwicklungsgesellschaft »Moderne Stadt« zunächst stockt. »Wir brauchen hier erst einmal die dringend notwendige Infrastrukturen«, sagt Erlhofer. »Bis dahin haben wir keine Kapazitäten, um uns Gedanken über die Begrünung zu machen.«