Anfassen, solange es noch geht: Pantomime am Wallrafplatz | Foto: Dörthe Boxberg

Law and Order op Kölsch

Um den Dom sollen strengere Regeln gelten. Das sieht ein neuer Entwurf der Stadtordnung vor

 

Die Kölner Stadtordnung ist der Knigge des öffentlichen Lebens in der Stadt. Sie regelt, dass Hundebesitzer den Kot ihrer Liebsten wegschaffen müssen oder dass in den Parks keine Einweggrills mehr erlaubt sind. Hält man sich nicht daran, wird ein Bußgeld fällig. Derzeit wird die Stadtordnung überarbeitet. Die Stadtverwaltung hat den politischen Gremien jetzt einen Vorschlag zur Überarbeitung vorgelegt. Es wäre die erste seit 2014. Als »ein Baustein zur Verbesserung von Sicherheit und Ordnung in der ganzen Stadt« beschreibt die Verwaltung die neuen Vorschläge, darunter ein Alkoholverbot im Umkreis von Schulen und Kitas und neue Beschränkungen für Straßenmusiker. Noch ist sich die Ratskoalition von CDU und Grünen nicht einig, welche davon umgesetzt werden.

 

Denn für das Domumfeld sieht die überarbeitete Stadtordnung ein Novum vor. In Absprache mit der Polizei soll hier eine Schutzzone eingerichtet werden, in der besondere Regeln gelten. Straßenkunst würde verboten. Organisiertes Betteln soll unterbunden, Wildpinkler, Drogendealer und Trickdiebe durch mehr Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt vertrieben werden. Videoüberwachung soll ausgeweitet werden. »Law-and-Order op Kölsch«, wie die Piraten formulieren, für einen Kriminalitätsschwerpunkt?

 

Laut Begründung der Stadtverwaltung stünde die Schutzzone nicht im Zusammenhang mit den Ereignissen der Silvesternacht vor dem Hauptbahnhof. Doch sie wird genau so diskutiert: »Aus Anlass der schrecklichen Übergriffe jetzt Pflastermaler und Straßenmusiker verbieten zu wollen, schießt deutlich über das Ziel hinaus«, sagt Gerrit Krupp, Mandatsträger der SPD und für Ordnungspolitik zuständig. Seine Fraktion spricht stattdessen von einem Durchsetzungsproblem und fordert, dass das Ordnungsamt mehr Personal bekommt, das unter Umständen auch besser ausgestattet werden soll. Damit scheinen sich die großen Parteien über das Ziel einig zu sein: mehr Sicherheit, mehr Kontrollen am Dom. Die Linke hingegen widerspricht. »Jetzt wird versucht, mit Silvester Stimmung zu machen«, sagt Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Er hält den Vorstoß, der zumindest teilweise im Ordnungsamt, das von CDU-Mitglied Engelbert Rummel geführt wird, entstanden sein dürfte, für Populismus und verweist auf die Landtagswahl im nächsten Jahr. Detjen lässt keinen Zweifel daran, wen er für die treibende Kraft hält: »Die CDU will die Stadtordnung seit 15 Jahren verschärfen.«

 

Unterstützung aus fachlicher Sicht erhält er von Expertenseite. Udo Behrendes schreibt in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins »Neue Kriminalpolitik« über die »Kölner Silvesternacht 2015/2016 und ihre Folgen«. Er war als Leiter der Polizeiinspektion Mitte von 2002 bis 2008 unter anderem für die Innenstadt zuständig. Das Ziel, die Würde des Doms durch ein Verbot von Straßenkunst zu schützen, hält er angesichts von bis zu 30.000 Besuchern täglich für »lächerlich«. Die Schutzzone sei eine »Scheinlösung«: »Wir müssen Menschen schützen, nicht Plätze.« Er sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheitslage rund um den Dom besonders prekär sei. Im Alltag seien eher der Neumarkt, die Ringe und die Altstadt problematisch. Die massenhaften sexuellen Übergriffe an Silvester hätten »eher zufällig« vor dem Dom stattgefunden, besäßen ganz eigene Ursachen und seien eben nicht eine »explosionsartige Erweiterung der Alltagskriminalität«. Eine Wiederholung an gleicher Stelle schließt er aus.

 

Behrendes und Detjen erinnern an die mehr als zehn Jahre praktizierte Kooperation von Ordnungsamt und Polizei in der Innenstadt und rund um die Domplatte. In den Jahren 2003 und 2004 ging laut Behrendes die Straßenkriminalität dadurch um rund 25 Prozent zurück und blieb auf diesem Niveau. Sozialraumorientierte Polizeiarbeit sei der richtige Ansatz: Bezirkspolizisten mit gutem Kontakt zu den Domschweizern, zum Römisch-Germanischen-Museum, zu Sozialarbeitern, die die Bettler und Musiker kennen. »Ich halte nichts von reiner Repression und Verdrängung. Es geht nicht um symbolisches Stärkezeigen, sondern darum, fähige Leute auf die Straße zu bringen«, plädiert Behrendes. Stattdessen sei in den vergangenen Jahren entsprechendes Personal abgezogen worden. Und nun sollen Bereitschaftspolizisten, mehr Mitarbeiter des Ordnungsamtes und Überwachung das Vertrauen der Bevölkerung wiederherstellen.

 

Noch ist nicht absehbar, wann der Rat zu einer Entscheidung kommen wird, eine entsprechende Beschlussvorlage wurde Mitte November zurückgezogen. Dass Sicherheit in der Innenstadt derzeit ohne Bezug auf die Silvesterereignisse diskutiert werden kann, ist dagegen unwahrscheinlich.