Roboter vor Berlin, Dogmatik im Dispo und kaum Spenden nach Landesverrat

»Content is King, Technology is Queen«, mit solchen Phrasen wurde den Mitarbeitern von Berliner Zeitung und Berliner Kurier eine Zeitenwende angekündigt. Nachfragen seiner Redakteure, was genau mit diesem Spruch gemeint sei, ließ Christoph Bauer, CEO der DuMont-Mediengruppe, bei der Betriebsversammlung zur Wende nicht zu. Er ließ überhaupt keine Nachfragen zu. Bauer vermied auch das Wort »Entlassungen«, und doch wird es welche geben: Die Redaktionen der beiden defizitären Hauptstadtblätter wurden Anfang November in einen neuen Newsroom überführt. Dort sind 110 Mitarbeiter beschäftigt, 50 weniger als zuletzt in den beiden Redaktionen arbeiteten. Die entlassenen Kollegen sollen sozialverträglich abgewickelt werden, während sich ihre weiter beschäftigten Ex-Kollegen auf Vergütungen einstellen dürfen, die nur lose an den Branchentarifvertrag angelehnt sind. »Perspektive Wachstum«, nennt DuMont den Umbau, »Kahlschlag«  nennt es der Betriebsrat, der sich wehren will. »Content is King« ist übrigens eine olle Kamelle von Bill Gates, die Ergänzung mit der »Queen« stammt von Alexander Siebert. Der ist Geschäftsführer der Berliner Retresco GmbH. Und Retresco ist führend bei der Automatisierung von Inhalten, Stichwort: Roboterjournalismus. Doch auch diesen Begriff wollte DuMont in Berlin noch nicht in den Mund nehmen.

 

In den Abgrund blickt indes die gute alte Junge Welt. Ein Fehlbetrag knapp unter der Millionengrenze steht in den Büchern, und es geht immer tiefer in den Dispo: In diesem Jahr wurden bereits 144.000 Euro Miese gemacht. Auch den strammsten Marxisten in der Redaktion ist klar, dass die Gesetze des Kapitalismus auch bei dem ehemaligen FDJ-Organ keine Ausnahmen kennen. Für die taz hat der Medienwissenschaftler Lutz Frühbrodt nach Gründen für die Misere Ausschau gehalten, und fand diese in ebenjener Gesinnung: »Das Interesse an marxistischen Tageszeitungen mit einem dogmatischen Einschlag nimmt ab.« Es habe sich zwar über die Jahre eine linke Gegenöffentlichkeit etabliert, aber diese bewege sich im Netz und nicht länger auf Papier. 17.000 Abonnenten hat die Junge Welt, ein Fünftel davon besitzt ein Online-Abo. Die aktuellen Ausgaben werden auf die Website gestellt, gesperrte Artikel sollten als Kaufanreiz dienen, doch der gewünschte Effekt blieb aus. Jetzt soll eine strengere Paywall etabliert werden. Ob diese den gewünschten Effekt haben wird, kann über die Zukunft des Blatts entscheiden.

 

Auch reine Online-Medien haben wirtschaftlich zu kämpfen: »Liebe Leserinnen und Leser, wir müssen reden. Es ist ernst.« So beginnt ein Offener Brief von netzpolitik.org. Die Reichweite habe sich 2016 zwar auf zwei Millionen Besucher verdoppelt, doch gleichzeitig seien die Spenden der Leser zurückgegangen. Im Jahr zuvor waren noch zwei Redakteure angestellt worden, um mehr Artikel recherchieren und anbieten zu können, nur ein Jahr später droht Stellenabbau. Der Ausbau der Redaktion war mit den Spenden aus der »Landesverrat-Affäre« bezahlt worden, doch diese Gelder werden in den kommenden Monaten verbraucht sein. Die monatlichen Spenden müssten sich um 5000 bis 10.000 Euro erhöhen, um einen Stellenabbau abzuwenden. »Es müssen mehr Menschen mehr Geld spenden als bisher«, schließt der Offene Brief. Ein Appell, der das kleine Einmaleins des Kapitalismus zur soliden Grundlage hat.