Horror und Hysterie

Die Sanierung der Kölner Bühnen wird immer teurer. 404 Mio. Euro sind nur der Zwischenstand

 

Gute Fotomotive kosten viel Geld. Da muss eine Stadt schon etwas investieren, um im Motiv-Ranking oben mitmischen zu können. Die Oper in Sydney zum Beispiel. Die ersten Schätzungen der Baukosten lagen bei 7 Mio. Dollar, bei 121 Mio. blieb der Taxameter dann endlich stehen. Heute ist die betongewordene Orgie fickender Schildkröten geschätzte 3,25 Mrd. Euro wert, außerdem Weltkulturerbe — und ein ikonisches Fotomotiv dazu.
Die Kölner Bühnen werden diesen architektonischen Olymp niemals erklimmen, auch wenn man sich kostenmäßig alle Mühe gibt. In grauer Vorzeit sollte die Sanierung einmal 253 Mio. Euro kosten, im Mai 2015 wurde die Marke von 278 Mio. gerissen, im März 2016 genehmigte die Politik 348 Mio Euro. Und auch die sollen laut Auskunft der Bühnen Ende des Jahres verbraucht sein. Die nächste Hürde liegt bei 404 Mio. Euro. Konkretes zu Zeitplan und Kosten will Bernd Streitberger, der technische Betriebsdirektor der Bühnen, erst im Juni 2017 veröffentlichen.

 

Nicht die Oper in Sydney oder die Elbphilharmonie sind die Referenzprojekte der Kölner Bühnensanierung. Es ist die Berliner Staatsoper, an der seit 2010 herumgedoktert wird. Auch dort sind die Kosten von 248 Mio. auf rund 400 Mio. Euro explodiert, auch dort verlängert sich die Fertigstellung. Es fehlte an einer abgeschlossenen Bauplanung, vor allem aber an einer detaillierten Bauwerksanalyse; es gab keinen Generalplaner, Unternehmen gingen in die Insolvenz, und man hielt krampfhaft am ursprünglichen Eröffnungstermin fest. Die Parallelen zu Köln sind unübersehbar.

 

Zu den erschreckenden Erkenntnissen dieser Debakel gehört, dass aus bestimmten Erfahrungen offenbar nicht zu lernen ist. Dass der gleiche Fehler immer und immer wieder begangen werden muss. Nicht umsonst verbinden sich mit diesem Gedanken von Wiederholung und Vergeblichkeit Vorstellungen der Hölle. Vielleicht liegt darin auch ein Grund für den idiosynkratischen Horror, den die Kölner Ratspolitiker angesichts der Kostenspirale erfasst hat. Es fällt einfach schwer, zu glauben, dass wir in Zeiten totalitärer Transparenz, Prognostik und Diagnostik nicht in der Lage sein sollen, den Zustand einer Wand oder eines Untergrunds zu durchleuchten. Andererseits nötigt einem die Widerständigkeit von Gebäuden, sich taxieren zu lassen, fast schon Respekt ab. Im Opaken liegt der Protest.

 


Die Kehrseite des politischen Horrors ist die Hysterie. Die hat derzeit den Düsseldorfer OB Thomas Geisel (SPD) erfasst. Dort muss das Schauspielhaus saniert werden. Obwohl sich die Kostenschätzungen auf lächerliche 40 bis 50 Mio. Euro belaufen, hat Geisel den Abriss und die Schließung des Schauspielhauses ins Spiel gebracht. Anstatt endlich Handbücher für kommunale Großprojekte zu erarbeiten und ein zu sanierendes Gebäude auch mal ein Jahr im leergeräumten Zustand zu analysieren, gibt es offenbar nur zwei Alternativen: Horror oder Hysterie.