»Wir wollen eine Zumüllung vermeiden«

Die Stadt Köln hat einen neuen Kunstbeirat. Wozu? Ein Gespräch mit den Beiratsmitgliedern

Barbara Hess und Marcel Odenbach über Kunst im öffentlichen Raum

StadtRevue: Welche Aufgaben hat der Kunstbeirat?

Barbara Hess: Sie sind in der Geschäftsordnung recht klar formuliert: »Der Kunstbeirat berät als ständiges Gutachtergremium den Rat und seine Ausschüsse sowie die Bezirksvertretungen in allen Fragen von Kunst im öffentlichen Raum.«

Ein Beirat hat aber, wie der Name sagt, keinerlei Weisungsbefugnis?

B.H.: Es ist unsere Aufgabe, unsere Empfehlungen so plausibel zu vermitteln, dass der Rat, der uns ja fragt, diesen auch wirklich folgt – wie das in der Praxis aussieht, wird sich an konkreten Fällen zeigen.
Marcel Odenbach: Bisher haben wir gute Erfahrungen gemacht. Es ist natürlich die Frage, ob dies so bleibt, wenn viel Geld oder bauliche Konsequenzen damit verbunden sind.

Gab es seit Oktober schon Entscheidungen, die auf den Kunstbeirat zurückgehen?

M.O.: (lacht) Ja, aber die sind nicht so wichtig gewesen. Ich war schon überrascht, welch spleenige Ideen es gibt, mit denen sich die Stadt beschäftigen muss! Es gibt Leute, die sehr naiv und gut meinend der Stadt etwas schenken wollen, das Bezirksamt ist einverstanden, weil viele froh sind über etwas Remmidemmi und Stadtmöblierung. Wir sind da aber anderer Meinung und wollen eine Zumüllung des öffentlichen Raumes vermeiden! So etwas passiert permanent.

Sie werden also vor allem damit beschäftigt sein, das Schlimmste zu verhindern – die brisanten Schenkungen, hoffentlich auch André Hellers DFB-begnadete Multimedia-Fußbälle, die Werbeprodukte des kölschen Künstlerklischees HA Schult, der uns als nächstes mit seinen Müllkameraden beglücken will?

B.H.: Schult ist ein interessantes Beispiel, weil die Aktion von KölnTourismus als Kunstprojekt und Event vermarktet wird, unser Beirat aber nicht damit befasst war. Das wurde vom Ausschuss »Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen« genehmigt, ohne uns zu konsultieren.
M.O.: Wir wollen die grundsätzliche Entscheidung, die die Kompetenz betrifft, in Frage stellen. Wir werden uns hüten, uns personell mit der Kunst von HA Schult auseinander zu setzen, weil das die ganze Sache auf ein Niveau heben würde, das wir nicht wollen. Ich möchte nicht im Express stehen sehen: »Künstlerkollegen haben mich verboten!«. Wir haben beschlossen, uns nicht damit zu befassen, weil das die Sache zu sehr aufwerten würde.

Die Stadt hat schon lange einen »Gestaltungsbeirat« – wie sind die Zuständigkeiten geregelt?

M.O.: Es gibt bestimmt Diskussionspunkte, die beide Gremien betreffen. Inwieweit geht uns z.B. die Hochhausdebatte etwas an, das Stadtbild insgesamt, Stadtgestaltung? Die Grenzen sind fließend.
B.H.: Es ist vereinbart, dass es bei bestimmten Fragen gemeinsame Sitzungen geben soll, aber es gibt eine klare Abgrenzung zwischen den Kompetenzen der Mitglieder: einerseits Kunst, andererseits Städtebau.

Vom Gestaltungsbeirat weiß man, dass seine Wirksamkeit auf die städtischen Beschlüsse bescheiden ist – mit entsprechenden Frustrationen bei seinen Mitgliedern.

M.O.: Ich glaube, dass Politik und Verwaltung sehr dankbar sind, wenn ihnen bestimmte Entscheidungen abgenommen werden und sie sich auf uns berufen können. Der Unterschied zum Gestaltungsbeirat besteht darin, dass es dort um das gesamte Stadtbild geht und natürlich ganz andere Interessenskonflikte betroffen sind als beim Kunstbeirat. Kunst ist ja wirtschaftlich ein verhältnismäßig unwichtiger Faktor für die Bürger. Ich kann mir vorstellen, dass wir weniger schnell frustriert sein werden.
B.H.: Das sehe ich ein bisschen anders: Ich glaube, dass Kunst sowohl für das Stadtbild als auch für das Stadtmarketing eine hohe Bedeutung hat und dass wir uns da nicht auf einem marginalen Feld bewegen – wenn sich Köln als Kunst- und Kulturstadt verstehen und dieses Profil ausbauen will. Insofern geht es um zentrale Fragen, die auch einen wirtschaftlichen Hintergrund haben und Kontroversen beinhalten.

Aktuell gibt es einen heftigen Streit zwischen der KVB und der Stadt zum Thema Kunst in den Stationen der neuen Nord-Süd-U-Bahn (s. Artikel S. 6). Wie ist Ihre Position hierzu?

M.O.: Wir finden, es ist eindeutig ein Skandal: Dass die Berücksichtigung von Kunst wahrscheinlich gar nicht stattfinden soll, dass es kein Geld gibt, dass die Planung schon so weit fortgeschritten ist ohne überhaupt Künstler in den Prozess zu involvieren. Dass einige Architekten schon künstlerische Dinge in Eigeninitiative eingeplant hatten, die aber auch nicht abgesichert sind. Und dass das, was von der KVB als »Kunst am Bau« vorgesehen war, schon an sich eine totale Einschränkung der künstlerischen Freiheit bedeutet. Die KVB geht davon aus, dass »Kunst störend auf die Architektur und die Funktion einer U-Bahn-Station einwirkt«, was vollkommener Quatsch ist, hat aber darüber hinaus konkrete Vorstellungen. Was bleibt mir da als Künstler überhaupt übrig? Das ist im Grunde
eine Auftragsarbeit für einen Designer. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist gerade für Köln wirklich ein Skandal. Wir haben ein sehr schönes Gegenbeispiel: Düsseldorf. Da wurde für jede Station aus einem eingeladenen Wettbewerb ein Vorschlag durch ein Gremium ausgewählt. Es geht also auch anders.


Der Kunstbeirat
Der Kunstbeirat wurde im Oktober vom Kulturdezernat eingesetzt und hat acht stimmberechtigte Mitglieder: Barbara Hess (Vorsitzende, Kunsthistorikerin und Kritikerin), Marcel Odenbach (Künstler, Prof. Kunsthochschule für Medien), Arno Brandlhuber (Architekt, Städteplaner), Sandra von Halem (Sammlerin), Reinhard W. Heinemann (Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz), Dirk Löbbert (Künstler), Kathrin Rhomberg (Kölnischer Kunstverein), Nicolaus Schafhausen (European Kunsthalle, Witte de With).