Adam (Mi.) und seine Schäfchen: Nazi, Vergewaltiger, Alki, Schläger

Hiob, der Borderliner

Therese Willstedt inszeniert mit Adams Äpfel Schmerzmomente, die ans Unerträgliche rühren

Der Landpfarrer Ivan Fjellstedt (Jörg Ratjen) ist ein fanatischer Zweckoptimist. Das Leben hat ihn übel zugerichtet, seine Biographie ist ein Sammelsurium an Beschissenheiten. Doch Ivan trotzt seinem bösen Gott mit Güte — vulgo Verdrängung. In seiner Kirche, irgendwo im dänischen Abseits, bietet er Ex-Häftlingen Asyl — und phantasiert eine Welt zusammen, in der alles Unglück zurückgeschlagen wurde. Es gibt kein Krebsgeschwür, kein behindertes Kind und auch kein Suizid der Geliebten. Erst als Adam (Robert Dölle) zu ihm kommt, ein gewaltbereiter Neonazi, frisch aus dem Knast, beginnt Ivans Lügenberg zu bröckeln.

 

Für die schwedische Regisseurin Therese Willstedt ist es die erste Inszenierung am Schauspiel Köln. Mitgebracht hat sie ihre Forderung, existentielle Fragen mit brachialer Gewalt auf der Bühne zu bringen. »Adams Äpfel« gleicht so auch nicht im Geringsten der bittersüßen Komödie des dänischen Filmemachers Anders Thomas Jensen, die 2005 in den Kinos lief. Auf der Theaterbühne ist das Stück vielmehr eine dystopische Wesenskritik der Welt: mit blutunterlaufenen Augen, grauer Haut — und letztlich auch mit Gewalt, die schwer auszuhalten ist. Es wird gedemütigt, mit Blut herum gesudelt, schier leblose ­Körper werden vergewaltigt. Tiefgründig bleibt »Adams Äpfel« dabei immer, wenn man die Zeichen zu lesen versteht. Auf der kargen Büh­ne mahnt ein sakraler Kirchenbau — als Konstrukt aus schwarzen Balken angedeutet — an Hiob, den Geprüften Gottes, der geduldig die Treue hält, ohne am Leid zu verzagen. Ivan gibt ihn meisterhaft, obgleich die Gottesfurcht Hiobs bei ihm eher in selbstgerechten Realitätsverlust umschlägt. Dass der Ver­gewaltiger und Trinker Gunnar (Nikolaus Benda) weiter trinkt und verge­waltigt, dass Khalid (Mohamed Achour), der verurteilte Räuber, noch immer loszieht, um Tankstellen zu überfallen — all das scheint in dem Bemühen, aus Scheiße Gold zu machen, an Ivan nicht heran zu dringen.

 

Irritierend ist daher der menschenfeindliche Adam, der in seiner mitunter nachvollziehbaren, Raserei die Wahrheit entlarvt — und ihn damit zu Fall bringt. Der Skinhead hat die Wahl: Lässt er Ivan im Dreck kriechen, die Scherben seiner Existenz aufsammeln oder hält er ihm die Hand hin? Einige Zu­schauer werden es nie erfahren: Sie hatten bei der Premiere zu diesem Zeitpunkt den Theatersaal schon empört verlassen.

 

Adams Äpfel, A: Anders Thomas Jensen, R: Therese Willstedt, 25., 30.12., 6., 7., 13., 15., 21.1., Schauspiel Köln im Depot 1, 19.30 Uhr