Immer in Bewegung: Baumusik

Alles nicht so ungeil

Das Label Baumusik knüpft neue Zusammenhänge in der Kölner Szene

In Köln existiert mit Kompakt, Traum, a-Musik, Magazine und vielen anderen mehr eine etablierte Label-Szene. Anlaufstellen für un­kon­ventionelle Musik gibt es auf den ersten Blick im Überfluss. Doch schaut man genauer hin, scheint die Szene gesetzt, mitunter schon leicht ergraut: eingespielte Zusammenhänge, die längst ihr Programm formuliert haben und in der verhärteten Musikrea­lität zu überleben wissen. Fair enough, doch wohin geht die nächsten Generation?

 

Das fragten sich auch Kölner Künstler_innen wie Echo Ho, Colorist, Camp Inc., alles andere, als unbekannte Namen und allesamt aus dem Freundeskreis der Bau­stel­le-Kalk- und Gold+Beton-Mache­rinnen. »Es gibt so viele Bands aus dem Umfeld, so viele Künstlerinnen und Künstler, mit denen man eh befreundet ist und den ganzen Tag zu tun hat, die ganz unterschiedliche, interessante Musik machen. Wir finden es viel toller, aus diesem Freundeskreis heraus etwas zu machen, als mit einem Label zusammen zu arbeiten, mit dem man sich vielleicht nicht so stark identifiziert«, beschreibt Sebastian von Camp Inc. den Entstehungsgedanken. »Es war allerhöchste Zeit für ein kollektives Anpacken«, ergänzt Meryem Erkas ihre Sicht als Veranstalterin. »Wir haben diese Künstler ständig gebucht, wussten um ihre Aktivitäten, dennoch waren sie alle ohne festes Label.«

 

Im letzten Juli dann feierte Bau­musik die Gründung, inzwischen besteht der Katalog aus elf Veröffentlichungen, der von Live-Sessions über Alben auf Vinyl bis zum digitalen Audiodrama oder limitierten Posterdruck alles enthält, was Musik und Kunst sein kann. Es geht um Gleichberechtigung von Kunstformen, um die Wichtigkeit von Dokumentation. »Bei uns be­kommt alles eine Katalognummer,« bringt es Meryem auf den Punkt.

 

Wie die Arbeit aufgeteilt wird? »Wie es kommt!«, erzählt Meryem, »Der Musiker kümmert sich erstmal selbst um die Veröffentlichung, of­fe­ne Erledigungen werden dann weitergegeben.« Manche Stellen pro­­fitieren von vorhandenen Fertig­keiten, so kümmert sich Malo um Web und Design, Jeandado macht das Mastering. »Aber es gibt keinen Chef, das wollen wir nicht. Inhalte und Arbeitsteilung werden gemeinsam entschieden«, erklärt Sebastian. »Auch wenn wir alle unterschiedliche Musik machen, haben wir eine ähnliche Wahrnehmung dafür, was ästhetisch geht und was nicht. Es gibt Musik, bei der wir uns alle einig wären, da gäbe es gar keine Diskussionen.« Das kreative Chaos bei Bau­musik entfaltet seine Wirkkraft, nach innen wie nach außen: während die Baumusiker_innen fleißig veröffentlichen — es damit unter anderem ins Sortiment des handverlesenen Plattenladens Clone geschafft haben — und von Schauspielhaus bis Salon des Amateurs so ziemlich alles bespielen, was an Spielorten Rang und Namen hat, lie­fert Colorist-Kumpel Gregor Schwellenbach einen Remix, den wiederum die Kölner Sticker-Küns­tle­­rin Du Pham zu einem illustrierten Musikvideo verarbeitet; Meryem setzt sich für die Post-Krautrocker Pappen im Nebel ans Schnittprogramm und veröffent­licht das 36­minütige Psychedelic-Impro-Video via Dublab.

 

Was bei Baumusik passiert, bewegt einen ganzen Haufen und trifft offenbar den Nerv der Zeit. »Das war eines unserer Ausgangs­argumente für Baumusik: zu sehen, dass das alles nicht so ungeil ist, was da um uns herum passiert«, erinnert sich Meryem. »Die Bands haben ihre Auftritte, die DJs ihre Gigs, wir reden hier von Künstlern, die sich selbst aufgebaut haben. Wir bündeln die Energien das und machen sie in einem Ding sichtbar.« Dabei wird auf eine gute Mischung der Veröffentlichungsfolge geachtet, »immer­­hin sind alle Beteiligten aktive Musiker, die ständige neue Sachen fertig haben — nach drei Stunden Treffen kommen wir auf zehn planbare Veröffentlichungen.« Eine Menge Output für ein Label. »Darum machen wir auch viel digital«, so Sebastian weiter, »das ist näher dran an der Geschwindigkeit der Künstler. Wenn man schaut, wie lange ein Albumrelease bei einem traditionel­len Label dauert — mitunter länger als ein Jahr —, dann ist das weit weg von dem, was man als Musikschaffender eigentlich macht, wo man mit seinen Produktionen und auch mit den Live-Sets gerade steht. Das kann sehr unbefriedigend sein, da ist digitales Arbeiten ein gro­ßer Vorteil. Trotzdem soll es wei­ter haptische Veröffentlichungen geben, ist aber natürlich eine Frage des Budgets.« Für 2017 sind ein bis zwei Releases im Monat geplant, die Planung steht bis März, darunter Alben von Mythos Amerika, Hall und Rauch und Söhnlein Brilliant, eine EP von Koxette, dazu variable Projekte wie DJ-Mixes. Und eine schrä­ge Weihnachtscompilation mit »düster-molliger Jahresendzeitmusik«.

 

Was also kann herauskommen, wenn sich Freunde ihrem künstleri­schen Drang hingeben? Etwas, was verdächtig nach dem heißen Scheiß duftet — was der Kölner Musiklandschaft auch mal wieder ganz gut tut. Man bekommt den Eindruck, nach Jahren des abklingenden Nachbebens etablierter Institutionen und ihrer Erfolge, wächst es jung und wild nach. »Man spürt musikalisch heute mehr Offenheit in Köln, die Musikszene ist weiter gefächert«, findet Sebastian, und Meryem benennt: »Der Techno ist auch wieder künstlerischer, dank Leuten wie Barnt oder Lena Willikens.« Ein klares Bekenntnis zu künstlerischer Freiheit, gegen bequeme Beliebigkeit. »Diese Kölner Lethargie: es wird sich auf etwas eingefahren, was gut läuft, und man kommt nicht mehr raus«, meint Meryem. »Aber in der allgemeinen Stimmung entwickelt sich immer mehr der Wunsch, damit zu brechen. Wir sind ja nicht die einzigen, es werden mehr. In dieser Stimmung Leute zu motivieren, das ist nicht so schwer und macht Spaß.«

 

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