Mehr Pappbecherkaffee ist auch keine Lösung (Bild: Pixabay)

Weniger bechern

Ein Pfandsystem für Kaffeebecher aus Pappe löst die Probleme mit dem Coffee-to-go nicht.

Es ist ein imposanter Müllberg: In Köln landen schätzungsweise 100.000 Pappbecher und fast ebenso viele Plastikdeckel täglich in der Tonne — oder auf der Straße, im Gebüsch, in Gepäckkörben parkender Fahrräder. Das ist To-go-Kultur: Wegwerfen, Liegenlassen, Weiterziehen — mentalitätsgeschichtlich befinden wir uns noch vor der Neolithischen Revolution. 

 

Um den Abfall zu verringern, soll in Köln nun ein Mehrweg-Pfandsystem eingeführt werden. Der Umweltausschuss stimmte Anfang Dezember dem Antrag der Piratenpartei mit breiter Mehrheit zu: Jetzt überlegt die Stadtverwaltung, wie man demnächst einen Pfand-Becher vom Kiosk an einer Bäckereikette zurückgegeben könnte und umgekehrt. Politiker, Abfallwirtschaftsbetriebe und die Stadtverwaltung sind begeistert, allen voran der neue Umweltdezernent Harald Rau. Solch breite Mehrheiten müssen nicht ein Indiz für einen faulen Kompromiss sein. Aber manchmal verdecken sie ein grundlegendes Problem.

 

Der Pappbecher ist eben nicht bloß umweltpolitisch ärgerlich. Er steht für ein kulinarisches Elend, aus dem uns kein Pfandsystem erretten wird. Wir bemerken gar nicht mehr, wie genussfeindlich und albern es ist, Kaffee im Gehen durch Plastikschlitze zu schlürfen. Mehr noch: Wir gefallen uns darin, diese Eile und Hektik zu kultivieren. Unsere Überforderung halten wir für Souveränität. Deshalb gelten in der Reklame der To-go-Becher in der Hand und das Smartphone am Ohr als Insignien uneingeschränkter Zeitgenossenschaft. Das oft zitierte Bonmot des Modeschöpfers Karl Lagerfeld über die Jogginghose muss anders lauten: Wer mit einem To-go-Becher herumläuft, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Ganz gleich, ob nun Pfandbecher oder nicht.

 

 

Kommt das Pfandsystem, wird es so sein: Wer es sich leisten kann, wirft seine Becher weiterhin irgendwo hin, andere werden sie aufheben, um ein paar Cent zu bekommen. Sicher entwerfen Design-Studenten bereits Coffee-to-go-Pfandringe. Man könnte das Pappbecher-Problem viel einfacher lösen: indem man mit Muße am Tisch isst und trinkt. Wir sollten nicht glauben, die Welt ändern zu können, ohne unsere Gewohnheiten abzulegen.