»Köln ist überall«

Wo liegt die Grenze zwischen Netzwerk und Klüngel? Und was sind die Folgen von fehlender Offenheit in der städtischen Verwaltung? Fragen von Thomas Goebel an den Korruptionsexperten Peter von Blomberg.

 

StadtRevue: Herr von Blomberg, eigentlich ist die Stadt Köln zur Transparenz gegenüber ihren Bürgern verpflichtet. Trotzdem ist ihr Handeln zum Beispiel im Messegeschäft kaum zu durchschauen. Wie kommt das?

Peter von Blomberg: Fehlende Transparenz ist eine bedauerliche, aber bisher legale Tradition der deutschen Verwaltung. Über Jahrhunderte galt der Grundsatz des Amtsgeheimnisses: Nur wenn der Bürger ein besonderes, subjektives Recht nachwies, konnte er ausnahmsweise Auskunft bekommen. Das ist ein schlimmer Missstand, auch im internationalen Vergleich. Nun haben wir aber für den Bund und für einige Bundesländer, auch NRW, Informationsfreiheitsgesetze, die die Verhältnisse umdrehen: Das Auskunftsrecht der Bürger ist jetzt der Regelfall, die Verweigerung die Ausnahme – sofern die Verwaltung das Gesetz korrekt vollzieht.

Diese Änderung betrifft auch die Kommunen?

Ja. Das heißt aber nicht, dass die Kommunen von sich aus verpflichtet sind, Vorgänge öffentlich zu machen.

Sondern?

Der Bürger, der Journalist, wer immer es für nötig hält, muss kommen und die Auskunft verlangen. Die Behörden sind dann verpflichtet, innerhalb bestimmter Fristen zu antworten. Darüber hinaus bleibt nur die Forderung nach mehr Transparenz: Keine Verwaltung ist daran gehindert, von sich aus mehr von ihrem Handeln öffentlich zu machen, zum Beispiel auf ihrer Website – auch im Zusammenhang mit Ausschreibungsverfahren. Transparenz steigert das Vertrauen der Bürger in die Verwaltung und schränkt ganz objektiv das Risiko von Korruption ein.

Und wenn die Transparenz fehlt?

Fehlende Offenheit bedeutet, dass keine öffentliche Kontrolle stattfindet. Ob intern vorgesehene Kontrollen durchgeführt werden, bleibt dann ebenfalls offen. So ist es zum Beispiel bei den Ausschreibungsverfahren: Dort sind interne Kontrollen an allen kritischen Punkten vorgesehen. Ob sie aber in jedem Fall ernst genommen werden, steht auf einem anderen Blatt. Transparenz könnte hier den Druck erhöhen.

Stadt, Sparkasse und Oppenheim-Esch-Fonds sind sehr unterschiedliche Geschäftspartner: eine Kommune, ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut und ein privater Immobilienfonds. Was bedeutet das für gemeinsame Geschäfte?

Man kommt schnell in die Nähe von Ausnahmetatbeständen, die aus der privaten Wirtschaft stammen. Das Auskunftsrecht ist dort eingeschränkt, wo das »Geschäftsgeheimnis« beginnt, und da das rechtlich ein sehr windiger Begriff ist, kann hier eines der Einfallstore für die Verweigerung von Information liegen – insbesondere in einem der Transparenz dringend bedürftigen Gebiet, nämlich in der kommunalen Wirtschaft und speziell der privatisierten kommunalen Wirtschaft, mit der wir es ja heute häufig zu tun haben.

Erster Kontrolleur der Stadtverwaltung ist eigentlich die Politik. Sei es das Messegeschäft oder der Bau des »Car Centers« in Poll - ist ein Stadtrat mit seinen ehrenamtlichen Mitgliedern überhaupt in der Lage, solch komplexe Wirtschaftsbeziehungen zu beurteilen?

Eine gewisse Skepsis ist hier sicher berechtigt, nicht alle Dinge können so kompetent beurteilt werden, wie das geboten wäre. Solange man in diesem ehrenamtlichen System bleiben will, können nur strikt unabhängige, externe Berater aus diesem Dilemma ein Stück heraushelfen.

So etwas braucht aber Zeit – wie Ratspolitik insgesamt. Beim Messegeschäft rechtfertigt die Stadtverwaltung ihr umstrittenes Vorgehen ja auch mit angeblichem Zeitdruck…

Die Vergabegesetze sehen die Eilbedürftigkeit eines Vorgangs als den klassischen Ausnahmefall vor. Leider wird diese Ausnahme aber über die Maßen strapaziert. Eine nachträgliche Information bedeutet nicht nur, dass die Entscheidungen schon gefallen sind, sondern auch, dass man oft nur unter dem Vorwand einer besonderen Eilbedürftigkeit Sorgfalt, Offenheit und Kontrolle vernachlässigt hat.

Lassen sich bei solch komplizierten Wirtschaftsbeziehungen überhaupt klare Grenzen ziehen zwischen Netzwerk, Seilschaft, Klüngel und Korruption?

Da gibt es eine große Grauzone. Abstrakt ausgedrückt: Die Grenze zur Strafbarkeit ist spätestens dort erreicht, wo Einflussnahme unabhängiges Handeln unmöglich gemacht hat. Die Strafdrohungen bei Korruptionsdelikten – in schweren Fällen bis zu zehn Jahre Gefängnis – schrecken die Täter nicht ab, umso weniger, als die Gerichte sie nicht annähernd ausschöpfen, auch nicht in den wirklich knackigen Fällen wie dem Kölner Müllskandal: Eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren für den Anstifter des Deals mit der Begründung, sein Unternehmen habe den Auftrag dringend gebraucht – da kann man nur den Kopf schütteln.

Ist der »Kölsche Klüngel« eigentlich wirklich eine Kölner Spezialität?

Nein. Was sich in Köln hinter dem Begriff Klüngel verbirgt, nämlich ein gut funktionierendes Netzwerk aus Kommunalpolitik, Verwaltung, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft – wobei viele Akteure mit verschiedenen Hüten operieren –, ist die typische Sozialstruktur einer größeren Kommune. Köln ist überall. Im Begriff des Klüngels schwingt aber auch eine Tendenz zur Verharmlosung mit. Köln hat keinerlei Grund, auf den Klüngel stolz zu sein.

Die vollständige Titelgeschichte zu den Geschäften der Stadt Köln steht in der aktuellen StadtRevue - seit dem 23.3.2006 im Handel!