Die Großen hängt man

Noch inniger als die Panzerknacker sehnen sich Filmemacher nach dem perfekten Bankraub. Anders als ein Verbrechen aus Habsucht oder Leidenschaft, erfordert er ein hohes Maß an Vorbereitung und bietet dem Tüftler ebenso einen Anreiz wie dem Logistiker und dem Ästheten. Eine gut geölte Maschinerie aus erzählerischen Winkelzügen und verblüffenden Effekten ist im Idealfall auch das Caper-Movie, das von solch ausgeklügelten Verbrechen handelt. Wobei sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt zu haben scheint, dass jeder Tresorraum eine Bühne und der perfekte Raub am besten nicht von einem Theatercoup zu unterscheiden ist. Auch »The Inside Man« reiht sich in diese Phalanx ein - allerdings hieße sein Regisseur nicht Spike Lee, wenn er der ästhetischen Selbstgenügsamkeit des Genres nicht die eine oder andere Botschaft untergejubelt hätte.

Die ersten Bilder des Films scheinen das Ende bereits vorwegzunehmen: Dalton Russel (Clive Owen), den wir noch als gewieften Anführer kennen lernen werden, sitzt vor einer Zellenwand und sinniert über das Wann, das Warum und vor allem das Wie seines letzten großen Bruchs. Dann sehen wir auch schon, wie ein Lieferwagen vor einer in Manhattan gelegenen Bank vorfährt, drei maskierte Männer und eine maskierte Frau aussteigen und mit vorgehaltener Waffe die Filiale überfallen. In aller Seelenruhe verrammeln sie die Türen, schalten die Überwachungskameras aus, scheuchen die gut dreißig Angestellten und Kunden ins untere Geschoss und verständigen dann die Polizei. Allem Anschein nach weiß diese Viererbande, was sie tut, obwohl sie das im Tresorraum gestapelte Papiergeld kaum eines Blickes würdigt. Statt zu raffen, was sie tragen können, graben die Bankräuber erst einmal ein Loch, stecken ihre Geiseln in Einheitsuniformen und machen sich für die anstehenden Verhandlungen bereit.

Alltäglicher Rassismus, komödiantisch interpretiert

Wenig überraschend ist »The Inside Man« vor allem ein virtuoses Katz und Maus-Spiel zwischen dem Gangster und seinem von Denzel Washington verkörperten Widersacher – vermutlich kennen Hollywoods Drehbuchautoren das polizeipsychologische Handbuch für Geiselnahmen mittlerweile auswendig. Ergänzt wird die Kleinkriegsroutine von diversen Nebenhandlungen, in denen Lee sein Lieblingsthema, alltäglichen Rassismus, diesmal recht komödiantisch interpretiert, und von einer in die höchsten politischen Kreise reichenden Intrige. Genaues erfährt man zunächst nicht, aber immerhin schickt ein dubioser Bankvorstand (Christopher Plummer) eine elegante Frau für’s Grobe (Jodie Foster) an den Tatort, um den Verbleib eines Dokuments zu klären.

Nach seinem großartigen Nationalepos »25th Hour« und der Besamungsfarce »She Hate Me«, die es in Deutschland nicht ins Kino geschafft hat, bedient Spike Lee nun eher das klassische Genrekino. Die ganz große Leidenschaft legt er zwar nicht an den Tag, doch dank seiner Vorliebe für erzählerische Turbulenzen ist ein höchst unterhaltsamer Film dabei herausgekommen. Für ein Caper-Movie ist »The Inside Man« nur knapp überdurchschnittlich gewitzt, dafür aber ungewohnt sardonisch. Insbesondere auf den Fluren der Macht versprüht Lee sein satirisches Gift und hat dabei in Jodie Foster und Christopher Plummer zwei für ihre Unerschrockenheit bekannte Gewährsleute gewonnen; Clive Owen spielt das Einbruchsgenie als hätte er nie etwas anderes getan, und Denzel Washington changiert in seiner Rolle als Gesetzeshüter augenzwinkernd zwischen Frank Capra und Film Noir. Ach ja, eine Moral hat die Geschichte auch noch: Die Großen hängt man, die Kleinen lässt man laufen.

Inside Man (dto) USA 06, R: Spike Lee, D: Denzel Washington, Clive Owen, Jodie Foster, 129 Min. Start: 23.3.