Scheu und Härte

Florian Henckel von Donnersmarck legt ein ambitioniertes Langfilm-Debüt vor: Nicht etwa in Form einer nüchternen Fallstudie erzählt er seine Geschichte um einen Stasi-Überwachungsspezialisten, der plötzlich Anteilnahme für seine Opfer entwickelt, sondern als höchst emotionale Melange aus Politthriller, Melodram und Charakterporträt. Dass das Vorhaben über weite Strecken gelingt, verdankt der Film seinem ebenso klugen wie kenntnisreichen Drehbuch und den großartigen Darstellern. Lediglich die visuelle Umsetzung wird den hochgesteckten Ambitionen nicht ganz gerecht; gelegentlich hinken die Bilder den großen Gefühlen und dem weitgefassten Erzählrahmen der Vorlage hinterher.

Gerade in den actionreicheren Szenen wird das deutlich: Hier suggeriert die vorwärtsdrängende Musik von Oscar-Preisträger Gabriel Yared ein Tempo und eine Dramatik, die in der Inszenierung keine oder nur eine unzureichende bildliche Entsprechung finden. So entsteht ein gegenläufiger Effekt, der die Bilderfolge noch langsamer erscheinen lässt. Außerdem fehlt es an visueller Imagination, die spezifischen Möglichkeiten des Cinemascope-Format dramaturgisch zu nutzen: Allzu unentschlossen wirken häufig Bildeinstellung und -kompositionen. Glücklicherweise kann die Regie dieses Manko durch ihren scharfen Blick für die Details real existierender sozialistischer Zustände mehr als wettmachen. Präzise in der Schilderung von Mechanismen eines Überwachungsstaats entfaltet sie ihre Geschichte, präzise auch im Atmosphärischen und Emotionalen.

Ein durch und durch ausgeklügeltes Überwachungssystem

Von Anfang an etabliert die Inszenierung ein Klima fortwährender Verunsicherung, in dem ein harmloses Witzchen über den Staatsratsvorsitzenden den weiteren Lebensweg bestimmen kann. Aber mindestens genauso schlimm wie die Bespitzelung selbst ist das aus ihr resultierende Misstrauen gegen alles und jeden, sind die vorausseilenden Selbstbeschränkungen, aus Angst, etwas Unbotmäßiges von sich zu geben, aus Angst vor einem ausgeklügelten Überwachungssystems, das nur ein Ziel kennt – die Zerstörung jeglichen Vertrauens.

Mehrere Jahre hat Henckel von Donnersmarck für seinen Stoff recherchiert. Und das spürt man in jeder Szene: Zahlreiche Originalschauplätze verströmen die muffig-freudlose Patina einer in ihrer eigenen Hierarchien erstarrten Staatsmacht. Das historische Ambiente wirkt jedoch nie ausgestellt; vollkommen selbstverständlich, ja beiläufig agieren die Darsteller in einer Welt, die lediglich aus Abstufungen von grau und braun zu bestehen scheint.

Das Erstaunlichste an diesem Film aber ist Ulrich Mühe, der mit seiner Verkörperung des Stasi-Hauptmanns Wiesler – in einer Mischung aus Distanz, Scheu und Härte – eine der eindringlichsten Darstellungen im deutschen Kino der letzten Jahre abliefert. Wie er es fertig bringt, uns für eine Figur einzunehmen, über die wir im Grunde nichts wissen und deren Innenleben bis zum Schluss ein Geheimnis bleibt, gleicht einem kleinen Wunder.

Vielleicht liegt es daran, dass in seiner Darstellung etwas mitschwingt, was unabhängig von den tatsächlichen Lebensumständen in seiner Figur existiert, was schon immer da war – die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Das Aufscheinen dieser existentiellen Gestimmtheit ist es, was »Das Leben der
anderen« über das Konkret-Politische hinaushebt und die wahre Größe seines einsamen Helden ausmacht.

Das Leben der anderen. D 05, R: Florian Henckel von Donnersmarck, D: Martina Gedeck, Ulrich Mühe,
Sebastian Koch, 137 Min. Start: 23.3.


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