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Witze über geistliche Autoritäten sind eine heikle Sache – für diese Erkenntnis braucht es keine dänischen Mohammed-Karrikaturen. Auch unser Kölner Kardinal zeichnet sich durch weit überdurchschnittliche Humorlosigkeit aus, wie nicht zuletzt die Stunksitzung immer wieder aufs Schönste demonstriert. Nun erschüttert ein neuer Satire-Skandal die katholische Welt: Der Musiksender MTV hat für den 3. Mai den Start seiner Comedy-Zeichentrickserie »Popetown« angekündigt, in der laut Sender ein »durchgeknallter Papst und ein krimineller Kardinal« die Hauptrollen spielen. Die österliche Werbebotschaft, die einen vom Kreuz herabgestiegenen, fernsehenden Jesus zeigte (»Lachen statt rumhängen«), wurde nach einer Rüge des Deutschen Werberats bereits zurückgezogen. Nun erheben sich in Köln auch anklagende Stimmen gegen die Serie selbst – von einer Institution, die bisher eher selten als stilistisch-ästhetische TV-Kritikerin von sich Reden gemacht hat: Das Generalsekretariat des Malteser Hilfswerks e.V. zitiert seinen Geschäftsführenden Präsidenten Johannes Freiherr Heeremann mit den Worten: »Diese Form von satirischer Unterhaltung verkörpert ein antiquiertes Geschmacksniveau.« Einmal abgesehen von dem antiquierten Formulierungsniveau enthält die Pressemeldung auch eine interessante Formatidee: Der Präsident lädt die MTV-Redakteure ein, »bei der Malteser Jugend neue Inspiration zu suchen«. MTV goes Rettungsdienst – klingt nach einer spannenden Doku-Soap. Vielleicht etwas für den frei werdenden Sendeplatz, sollte »Popetown« doch noch abgesetzt werden.

Stoff für eine wenig lustige Doku-Soap quer durch die TV-Kanäle bot in den letzten Wochen die Berliner Rütli-Schule: Ausländer und Pisa-Test, Hauptstadt-Getto, Gewalt und Drogen – da war für jeden etwas dabei. Die Medien stürzten sich auf die Neuköllner Hauptschule wie auf den ersten Vogelgrippe-Schwan. »Berliner Lehrer geben ihre Schule verloren«, titelte sogar die Süddeutsche Zeitung Ende März über ihrem Seite 1-Aufmacher, als wäre über das Thema Gewalt an Schulen noch nie ein Wort verloren worden. »Kampagnenartig« seien die deutschen Medien eingestiegen, kritisierte WDR-Intendant Fritz Pleitgen Anfang April die Berichterstattung. Die Rütli-Schule, ein typisches Beispiel für Erregungsjournalismus: eine Woche Hochbetrieb, mehr Journalisten vor als Schüler in der Schule, Vorwürfe an das ZDF, Schüler in einem Hamburger Problembezirk für eine Reportage bezahlt zu haben, ein paar Schnellschüsse aus dem Bayerischen Kabinett – und schon war alles geklärt: Jugend immer schlimmer, Multikulti gescheitert, Politik am Ende, Hauptschule auch, nächstes Thema bitte. Ob Fritz Pleitgen wohl auf der nächsten WDR-Konferenz eine gut recherchierte, mit viel Zeit und ausreichendem Budget gemachte Reportage zu dem eigentlich ja gar nicht so unwichtigen Thema Gewalt an Schulen anregt?