»Was wir uns nicht erzählen können«

Dass das Kölner Literaturhaus im Mai eine neue Reihe startet, die sich laut Titel dem »Nichterzählbaren« widmet, kommt an diesem Ort wie eine Finte daher. Tatsächlich geht es nicht um Zwischen-den-Zeilen-Verborgenes oder Unsagbares, sondern um einen erweiterten Begriff des Erzählens in Alltag, Wissenschaft sowie bild- und mündlichen Traditionen. »Die Erzählung schert sich nicht um gute oder schlechte Literatur: sie ist international, transhistorisch, transkulturell, und damit einfach so da, wie das Leben .« So formulierte Roland Barts, der die Grenze zwischen Fiktion und Tatsachen, Literatur und den vorgeblich objektiven Wissenschaften verwischte. Ins Blickfeld gerät damit auch Verschwiegenes, Tabuisiertes sowie das Erzählen als grundlegende Form der Weltaneignung.

An vier Abenden im Mai geht es zunächst um die Kehrseite optimistischer Vorstellungen vom Menschen: um den sündigen, fehlerhaften, intriganten und lächerlichen Menschen. Den abgründigen Menschen also, den wir als romanhafte Erfindung durchaus schätzen, als real existierenden Unsympath aber beunruhigend bis beleidigend finden. Das humanistische Ideal hinterfragend, versuchen Literaturwissenschaftler, Soziologen und Essayisten kulturelle und politische Standortbestimmungen.

Den Auftakt macht Manfred Geier, der den über andere und sich selbst lachenden Menschen von Platon bis Karl Valentin nachzeichnet und vor allem unter Philosophen allerlei abgründigen Humor aufgespürt hat. Der bekannte Publizist Peter von Matt hat gerade sein neues Buch »Die Intrige« vorgelegt und wird sich, naturgemäß bei Adam und Eva beginnend, »Theorie und Praxis der Hinterlist« in Historie und Weltliteratur widmen. Nach von Matts Erkenntnissen über trojanische Pferde, Schneewittchen und Lady Macbeth nimmt Gerhard Schulze die »Sünde« in seinen aktuellen Blick: Was ist verbindlich, wenn Moral nur mehr als private existiert? Wenn die sieben Todsünden eher als hedonistische Glücksversprechen locken? Zuletzt hält Manfred Osten ein Plädoyer für die Kunst des Fehlermachens – wider die Fiktion des perfekt funktionierenden (virtuellen) Übermenschen. Im Juni folgt eine zweite Runde, Thema: die Naturwissenschaften.




Veranstaltungen

So 14.5., Literaturhaus, 20 Uhr:
Worüber kluge Menschen lachen: Die Abgründe des Humors, mit Manfred Geier

Mi 17.5., Buchhandlung Bittner, Albertusstr. 6, 20 Uhr:
Theorie und Praxis der Hinterlist: Der intrigante Mensch, mit Peter von Matt

Do 18.5., Literaturhaus, 20 Uhr:
Unmoral als Ausweis eines erfüllten Lebens: Der sündige Mensch, mit Gerhard Schulze

Di 23.5., Literaturhaus, 20 Uhr:
Nicht zu irren ist unmenschlich: Der fehlermachende Mensch, mit Manfred Osten