Dem Volk auf’s Maul

Beim Streit um die Moschee spielen Argumente die geringste Rolle

Das kommt davon, wenn man nicht zuhört. So haben die meisten Anwesenden bei der Informationsveranstaltung der Stadt am 2. Mai die entscheidenden Sätze verpasst: Alles, was in der zukünftigen Ehrenfelder Moschee geschehen soll – beten, arbeiten, lernen – geschieht schon jetzt. Nur, dass an der Ecke Innere Kanalstraße und Venloer Straße, wo sich jetzt ein hässlicher Betonbau befindet, zukünftig eine schöne Moschee stehen wird. Warum also die Aufregung, die hitzigen Debatten auf den Leserbriefseiten der Lokalpresse?

Dass die städtische Aufklärungsveranstaltug völlig aus dem Ruder lief, lag in erster Linie an »Pro Köln« und ihrer Anhängerschaft. Für die rechtsextreme »Bürgerbewegung« war der avisierte Bau einer Moschee in Köln stets Futter für demagogische Kampfparolen. Und so wurden auch an jenem Abend in der voll besetzten Aula eines Ehrenfelder Berufskollegs rechtsradikale Sprüche gebrüllt und gepöbelt, dass es einen graust. Höhepunkt in dieser Hinsicht war der Zwischenruf, 120.000 Moslems in Köln seien 100.000 zuviel.

Frau Holles Bedenken

Der Verlauf der Veranstaltung und der Ton vieler Leserbriefe machen deutlich, dass die nackten Fakten nicht interessieren. Das Bemühen um Aufklärung und Versachlichung bleibt richtig – schlussendlich aber kommen die Informationen bei den viel zitierten besorgten Bürgern nicht an. Alle, die es für politisch opportun halten, berufen sich auf sie, doch keiner weiß, wie groß die Gegnerschaft gegen die Moschee im Viertel wirklich ist. Außer dem Vorsitzenden der Ehrenfelder CDU, Jörg Uckermann, – der behauptet einfach mal öffentlich: »80 Prozent der Bevölkerung«. Der Behauptung liegen keine Erkenntnisse zugrunde, sie ist reine Stimmungsmache, und die kommt an.

Während man Pro Köln und der CDU taktischen Populismus unterstellen darf, geistern in den Leserbriefen handfeste Verschwörungstheorien herum: »Bei dieser Moschee stören mich die geplanten Minarette und die stilisierte Weltkugel (von wegen Hände... Man muss ja schön blöd sein, um das nicht als Weltkugel zu verstehen). Sie verdeutlichen einen totalen Machtanspruch.« Das schreibt eine Leserin unter dem Pseudonym Frau Holle im Online-Forum des Kölner Stadt-Anzeiger. Wo die Architekten Gottfried und Paul Böhm eine filigrane Kuppel entwerfen, »die aus drei Blättern besteht, die sich wie Hände begegnen und Offenheit spiegeln« (s. Interview StadtRevue 4/06), sieht Frau Holle eine Weltkugel und Machtansprüche. Welches Argument sollte dagegen helfen?

Der Ruf des Muezzin

Währenddessen streut die Ehrenfelder CDU, die sich mit ihrem ablehnenden Beschluss zur Moschee gegen die eigene Ratsfraktion stellt, weiter gezielt Falschinformationen. Jörg Uckermann betont wider besseres Wissen, der Ruf des Muezzin außerhalb des Gebetsraums müsse »untersagt werden«. Warum untersagen, was gar nicht geplant ist? Mehmet Yildirim, Generalsekretär der DITIB, wird während der städtischen Veranstaltung nicht müde zu erläutern, dass man den Ruf des Muezzin bisher nicht außerhalb des Gebäudes hört – und dass das auch so bleiben wird. Wenige Minuten später fragt eine Frau aus dem Publikum nach dem Ruf des Muezzin, tags drauf betont CDU-Fraktionschef Winrich Granitzka in einer Pressemitteilung »dass der Ruf des Muezzins in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar sein darf.«

Selbst als Atheistin möchte man ein Stoßgebet nach oben schicken: Herr, wirf Hirn vom Himmel!

Fakten zum Moscheebau

• Bauherr der Ehrenfelder Moschee ist die »Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion«, kurz DITIB. Der Verband für türkische Muslime in Deutschland ist vom türkischen Religions-Ministerium gegründet worden und vetritt die laizistische Position der Türkei: Trennung von Kirche und Staat. Sitz des Bundesverbandes, der aus 860 Ortsvereinen besteht, ist Köln.

• Das Grundstück, auf dem die neue Moschee gebaut wird, liegt an der Ecke Innere Kanalstraße und VenloerStraße und gehört der DITIB. Bereits jetzt befindet sich auf dem Grundstück eine Moschee – der unscheinbare, schmucklose Bau ist von außen nur nicht als solche zu erkennen.

• Die DITIB hatte 2005 einen Architekturwettbewerb für den Bau einer »repräsentativen Moschee« ausgelobt. Die Jury war breit und hochkarätig mit Repräsentanten der Kölner Politik und Gesellschaft besetzt, u.a. waren Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner und Baudezernent Bernd Streitberger Mitglieder.

• Im März fiel die Entscheidung der Jury: Der erste Preis ging an den Kölner Architekten und Kirchenbaumeister Gottfried Böhm und seinen Sohn Paul. Viele Kirchen im Rheinland sind aus ihren Entwürfen entstanden, in Köln zuletzt die Kirche St. Theodor in Vingst.

• Der Ruf des Muezzin ist bislang nur im Inneren der Moschee zu hören. Das soll nach den Vorstellungen von DITIB auch beim Moscheeneubau so bleiben.

• Die Moschee ist nicht nur ein Ort der Religionsausübung, sondern auch ein Gemeinde- und Kulturzentrum. Der Neubau wird einen Gebetsraum für 2000 Personen bereitstellen, außerdem ein Café und einen Jugendclub, einen Schul- und Seminarbereich, ein türkisches Bad (Hamam), sechs kleine Geschäfte, vier Besucherapartments, drei Dienstwohnungen und eine Tiefgarage mit 110 Plätze. DITIB finanziert das Vorhaben selbst.