Fußball & Mode

Peter Scharf sucht im Gespräch mit Christoph Biermann nach einer Stil-Ikone unter den deutschen Kickern

 

 

 

StadtRevue: Du schreibst seit mehr als zwanzig Jahren über Fußball. Wann hat das Thema Mode im Fußball erstmals eine Rolle gespielt?

Christoph Biermann: Ich glaube, das hat mit dem veränderten Trikot-Design angefan­gen. Vor gut zwanzig Jahren haben die Sportar­ti­kel­hersteller begonnen, so etwas wie ein Bewusst­sein für Fußballmode zu entwickeln.

Das Trikot als modisch gestylter Merchandising-Artikel...

Manchester United waren da die Vorreiter. Dort hat man angefangen, Trikots als richtige Kollektionen zu begreifen.

Inzwischen hat ja in der Bundesliga jeder Club jedes Jahr ein neu designtes Trikot, das sich der Fan dann kaufen soll.

Ja, und auch noch ein neu gestaltetes Auswärtstrikot. Beim 1. FC Köln gibt es zudem noch die »LP10-Kollektion« – also eine Lukas-Podolski-Kollektion.

Es gibt also saisonal wechselnde Kollektionen und darüber hinaus limitiere Sonderprogramme.

Genau. Und das sind natürlich Techniken, die man sich aus der Modebranche abgeschaut hat. Und es wird auch auf Trends reagiert, darum gibt es jetzt zum Beispiel von den Vereinen immer wieder mal Retro-Trikots, zumeist aus den 70er Jahren.

Fußball-Fans sind mit ihren Schals, Trikots und Kutten modemäßig in der Regel sehr wertkonservativ unterwegs.

Ja, wobei es mit den britischen Casuals doch mal eine echte Style-Fraktion gab.

Casuals? Klingt nach Britpop aus den 80ern, Housemartins und so.

Die Zeit ist nicht ganz verkehrt, es hat aber nichts damit zu tun. Die Casuals waren eigent­lich klassische britische Hooligans. Anfang der 80er haben die damit begonnen, sich de­zidiert teure Klamotten anzuziehen und sich so von den eigenen und gegnerischen Proll-Fans abzugrenzen.

Klassisches »Dressing Up« also?

Ja klar, seht her: Wir können uns das leisten und ihr nicht. Sieg durch besser aussehen mit Labels wie Lacoste oder Burberry.

Hat sich das auf die deutsche Fan-Kultur ausgewirkt?

Ein bisschen. Deutsche Hooligans in den 80ern sind dann zum Teil auch so rumgelaufen.

Bei Designer-Klamotten denkt man ja in Hartz IV-gebeutelten Zeiten weniger an die Fans als an die schwer reichen Spieler.

Das ist die andere Seite. Wenn du die Spieler triffst, siehst du, dass edle Designer-Marken heute einfach Standard sind – von Prada bis Gucci. Das liegt tatsächlich an den wahnsinnig gestiegenen Gehältern.

Fußballer agieren ja längst wie Popstars oder Schauspieler.

Und dadurch sind sie natürlich auch als Träger von Mode viel interessanter geworden. Auch wenn die deutschen Profis bisher nicht im großen Stil für Mode werben. Am auffälligsten macht das noch die Marke Roy Robson (offizieller Herrenausstatter von Werder Bremen, VfL Wolfsburg, Hansa Rostock und dem FC Brügge).

In Italien wird ja so ziemlich jeder renommierte Club von einem Designer mit Ausgeh-Anzügen versorgt. Dolce & Gabbana kleidet zum Beispiel den AC Mailand ein. Und Armani seit zwei ­Jahren sogar die englische Nationalmannschaft.

Das dürfte zur Strategie von Armani passen, schließlich haben die Engländer Beckham. Und somit das Paradebeispiel für einen Fußballer als Mode-Ikone. Er hat diese typisch britische Mischung aus Proll und Style, die sonst nur die britischen Pop-Stars haben.

Aber rein optisch gesehen genießen doch die Del Pieros und Tottis, also die italienischen Serie-­A-Kicker, den besten Ruf.

Sie sind im klassischen Sinne immer gut angezogen, aber irgendwie auch langweilig. Beckham ist für mich auf eine ganz andere Art und Weise stilbildend. Schon alleine durch die Frisuren, die dann in Deutschland Horden drittklassiger Kicker kopieren.

Stilbildend haben anscheinend auch die italieni­schen Trainer gewirkt: Inzwischen tragen auch einige deutsche Trainer einen Anzug.

Italienische Trainer hatten schon immer den Gestus: Der Spieltag ist der Feiertag meiner Woche.

Da wird ja auch sonntags gespielt.

Genau, und da zieht man dann eben einen Anzug an. Das war, glaube ich, selbst in den 50er und 60er Jahren schon so.

Noch mal zum Thema Anzug: Die Ausgeh-Uniformen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM sind immerhin von Strenesse. Welcher heimische Fußballer wäre denn am ehesten eine Stil-Ikone?

Puh... Also aus England, da wäre mir dann noch George Best eingefallen. Aus Deutschland dann am ehesten doch Günter Netzer. Als 13-Jähriger fand ich den mit seinen langen Haaren, den coolen Klamotten und dem Jaguar E Type einfach super. Der war damals mein Held, auch wenn ich heute weiß, dass er ein ziemlich langweiliger Typ ist. Ansonsten hat Deutschland ja vor allem endlose Generationen von Schnäuzer-Fußballern hervorgebracht – als Ausdruck bundesdeutscher Vorstadtmentalität.

Es gibt nur einen Rudi Völler...

Obwohl der im Anzug wirklich okay aussieht.

Christoph Biermann, 45, lebt als Sportkorrespondent der Süddeutschen Zeitung und Autor zahlreicher Bücher (zuletzt: »Fast alles über Fußball«) in Köln.
Peter Scharf, 41, ehemaliger Redakteur der StadtRevue, lebt als freier Journalist in Köln.


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