Iran und die Bombe

Während Bruno Schirra dem Präsidenten

Ahmadinejad alles zutraut, mahnt Bahman Nirumand

in seinem neuen Buch zur Gelassenheit

Schon seit Längerem fragt sich alle Welt: Was treibt diesen Mann an? Was will er? Mit seinen anti-zionistischen Äußerungen hält der iranische Präsident uns in Atem, und obskur sind seine Äußerungen über die baldige Wiederkehr des zwölften Imams. Der zwölfte Imam, der eschatologisch dem jüdischen Messias vergleichbar ist, entschwand im achten Jahrhundert in die so genannte Verborgenheit. Seither warten die Schiiten auf seine Rückkehr – auf dass er die Welt befreien möge von allem Unheil. Ahmadinejad hat diese Rückkehr nun für die nahe Zukunft angekündigt und sieht sich selbst als den Vorbereiter dieser Rückkehr. Es hört sich bestenfalls seltsam an, was Ahmadinejad sagt und denkt. Bahman Nirumands Fazit in seinem neuen Buch mit dem Titel »Iran – die drohende Katastrophe« ist jedoch, dass der Mann es ernst meint, zumindest was die baldige Rückkehr des zwölften Imam anbelangt – nicht jedoch hinsichtlich seiner Äußerungen zu Israel.

Detailliert, aber etwas trocken

Kaum ein Autor dürfte so geeignet sein das Phänomen Ahmadinejad zu beschreiben wie der 1936 in Teheran geborene Bahman Nirumand. Der seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Exil-Iraner, dessen Buch »Persien – Modell eines Entwicklungslandes« ursächlich für die Demonstrationen des Jahres 1967 gegen den Schahbesuch in Berlin verantwortlich war und damit auch für das Aufkommen der 68er, hat nie den Kontakt zum Iran verloren.

Es geht Nirumand nicht um den Präsidenten Ahmadinejad allein. Er beleuchtet Politik und Gesellschaft und analysiert ausführlich den Atomkonflikt: Wer hat wann welches Angebot gemacht und wie ist darauf von welcher Seite reagiert worden? Sehr detailliert ist diese Darstellung und sicherlich notwendig, aber streckenweise etwas trocken. Doch sie führt dazu, dass man Nirumands abschließende Einschätzung nachvollziehen kann: »In Anbetracht dieser Tatsachen ist die Dämonisierung des iranischen Atomprogramms völlig absurd, es sei denn, man möchte damit Ängste erzeugen und die Öffentlichkeit psychologisch auf einen möglichen Krieg vorbereiten.«
Der Tenor von Nirumands Ausführungen entspricht dem, was viele Iraner sagen: Iran hat das Recht zur Urananreicherung, das Land hat nicht gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen und der Westen messe gemeinhin mit zweierlei Maß. Vor allem betont er, dass die USA in diesem Streit auf Eskalation gesetzt hätten. Hier kommt Nirumand der Verdienst zu, die iranische Perspektive auf den Atomkonflikt darzustellen, die allzu oft vernachlässigt wird.

Die Gotteskrieger haben sich zusammangeschlossen

In starkem Kontrast stehen Nirumands Ausführungen zu denen des Journalisten und Cicero-Autors Bruno Schirra, der sich ebenso an einer Analyse der derzeitigen Situation versucht. Für Schirra gibt es keinen Zweifel: Iran will die Bombe. Und zwar nicht nur um der eigenen Sicherheit willen, wie von Nirumand postuliert. Während Nirumand sagt: »Der Iran ist weder gewillt noch in der Lage, Israel anzugreifen, geschweige denn von der Landkarte zu tilgen«, ist Schirra von dem Gegenteil überzeugt. Jeder, der dies behaupte, beschwichtige und verharmlose. Schirra führt interessante Fakten (oder als solche deklarierte) an, vor allem, was das Zusammengehen zwischen den radikalen Elementen Irans und dem internationalen Jihadismus anbelangt: Alle Gotteskrieger hätten sich inzwischen zusammengeschlossen, und zwar auch solche, bei denen von einer grundlegend gegensätzlichen ideologischen Ausrichtung auszugehen ist – die Terroristen um den vor kurzem von den Amerikanern im Irak getöteten Jordanier Abu Mussab al-Zarqawi und die Iraner beispielsweise.

Immer wieder wurde und wird in der westlichen Berichterstattung auf die Gräben hingewiesen, die die schiitischen Iraner und den Schiitenhasser Zarqawi voneinander trennten. Laut Schirra sind sie längst überwunden, der gemeinsame Feind »Westen« habe die so gegensätzlichen Strömungen einander nicht nur nahe gebracht, sondern ihr gemeinsames Vorgehen bewirkt. Als Fazit zitiert Schirra einen hochrangigen BND-Mann: »Die schiitischen und die sunnitischen Terrornetzwerke werden eng miteinander kooperieren und zusammen gegen den Westen losschlagen. Und die Hardliner in Teheran werden sie mit allem ausrüsten, wovon islamistische Terrorgruppen bisher nur träumten. Ich nenne das einen terroristischen Super-GAU, gegen den wir nicht gerüstet sind.«

Warnung vor Endzeitszenarien

Nun ja – die Schwierigkeit mit Geheimdienstmännern und -unterlagen ist nun einmal, dass sie nicht überprüfbar sind. Gänzlich überzeugend scheint die Argumentation Schirras nicht, aber gerade in Deutschland gerät jeder in den Verdacht »zu verharmlosen wie schon einst einmal verharmlost wurde«, wenn er zu etwas mehr Lässigkeit im Umgang mit Iran und den Äußerungen seines Präsidenten rät. Vor Endzeitszenarien wie Schirra sie entwirft dürfte jedoch gleichfalls zu warnen sein.

Katajun Amirpur lebt als Journalistin und Islamwissenschaftlerin in Köln. Zum Thema erschien von ihr zuletzt:
K. Amirpur/ Reinhard Witzke: Schauplatz Iran. Ein Report
Herder Verlag, Freiburg 2004, 157 S., 21,80 Euro.

Weitere Literaturtipps
Bahman Nirumand: Iran – die drohende Katastrophe.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, 220 S., 16,90 Euro.

Bruno Schirra: Iran – Sprengstoff für Europa.
Econ Verlag, Berlin 2006, 332 S., 18 Euro.
Im September erscheint von Bruno Schirra:
Ihr liebt das Leben, wir den Tod.
Die Menschen im Herzen des Islamismus,
Herder Verlag, Freiburg 2006, 256 S., 19,90 Euro.