Nachruf mit Folgen
»In dem Buch werden zahlreiche unwahre Behauptungen aufgestellt, die jeder Grundlage entbehren und scheinbar einzig das Ziel verfolgen, den Ruf des verstorbenen Baron Alfred von Oppenheim und des Bankhauses zu beschädigen. Das wollen wir verhindern«, sagt ein Sprecher der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim & Cie., angesprochen auf das Buch des Kölner Journalisten Werner Rügemer »Der Bankier«. Der »ungebetene Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim«, so der Untertitel des Buches, porträtiert den ehemaligen Seniorchef der Bank, der im Januar 2005 starb. »Wir behalten uns auch weitere Schritte vor, um uns gegen die Verleumdung und Verunglimpfung zur Wehr zu setzen«, so der Sprecher weiter.
Details und Banalitäten
Die ersten Schritte sind schon getan: Die Anwälte der Bank haben mittels einstweiliger Verfügung rund zwanzig Aussagen im Buch untersagen lassen, anfangs sollten es sogar 35 sein. Dabei handelt es sich um Details, die von Verlag und Autor als »Banalitäten« eingeschätzt werden, die die Kernaussagen des Buches nicht beträfen, so Rügemer. Bei vier Textstellen räumt er Änderungsbedarf ein, die restlichen könne er belegen.
In diesem Umfang Nebensächlichkeiten herauszugreifen, um Unterlassungen zu erwirken, das habe eine neue Qualität, schätzt der Kölner Rechtsanwalt Eberhard Reinecke das Vorgehen ein. Er verweist auch auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes, das besagt, dass nicht jede kleine Unwahrheit juristisch relevant sei, es müsse sich schon um einen Eingriff ins Persönlichkeitsrecht handeln. In der Zwischenzeit hat der Frankfurter Nomen-Verlag, in dem das Buch erschienen ist, eine Neuauflage mit Schwärzungen der beanstandeten Textstellen herausgegeben.
Den Vorwurf des Bankhauses, er wolle den Ruf des Verstorbenen beschädigen, kommentiert der Autor so: »Was als Verunglimpfung empfunden wird, sind Fakten«. Die Vertreter der Bank wollten letztlich eine »Beschönigung des Charakterbildes« des Verstorbenen, indem sie »die Fakten leugnen«.
Missverstandenes Augenzwinkern
Tatsächlich geht Rügemer über die Darstellung der nackten Fakten weit hinaus. Das Buch eröffnet mit essayistischen Texten: ein allgemeiner Nachruf auf Oppenheim, eine Reportage von der Trauerfeier im Dom, eine vom Besuch am Grab. In dieser ersten Hälfte des Buches pflegt Rügemer zuweilen einen recht schwülstigen Stil: »Wir müssen nachsichtig mit uns selbst sein, aber gleichzeitig müssen wir streng und wahrhaftig untereinander sein, wenn wir die Gemeinschaft nicht zugrunde gehen lassen wollen. Wir leben nur einmal im Auge der Ewigkeit.«
Das »Augenzwinkern«, das Rügemer auf Nachfrage für diese Textpassagen reklamiert, vermittelt sich beim Lesen nur unzureichend und kleistert stattdessen die wichtigen Informationen über Person und Bankhaus zu. Man muss sich durch allerlei Redundanz und manche Klischees lesen – der Verstorbene trinkt exzellenten französischen Rotwein, raucht teure kubanische Zigarren und verfügt über livriertes Personal auf seiner Segeljacht –, um zum Kern der Dinge vorzudringen. Der allerdings ist brisant genug und lohnte eine politische Auseinandersetzung.
Harte Bandagen
Doch öffentliche Stellungnahmen zu den wichtigen Inhalten des Buches – Verwicklung in kommunale Bauprojekte (z.B. Kölnarena) über Immobilien-Töchter zum Nachteil der Stadt; die Rolle der als »kriegswichtig« eingestuften Bank im Nationalsozialismus – scheut das Bankhaus. Umso mehr wird juristisch mit harten Bandagen gekämpft: »Der Bankier« sollte schon verboten werden, als Rügemer noch nicht einmal das Manuskript fertig gestellt hatte. Die Ankündigung im Verlagsprospekt reichte den Anwälten der Bank bereits für eine Abmahnung. Das Buch konnte trotzdem erscheinen. Inzwischen haben nicht nur Autor und Verlag Post aus der Berliner Anwaltskanzlei bekommen, die Oppenheim vertritt, sondern auch Großhändler und Buchhandlungen. Inhalt des Schreibens: Das Buch enthalte »Unwahrheiten«, und die Verbreitung habe zu unterbleiben, um eine rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Rechtlich ist das zwar zulässig – der Regelfall ist ein solches Vorgehen jedoch nicht.
Einschüchterungsversuch mit Folgen?
Was aber bringt die Bank so auf die Palme, dass sie auch den Versuch nicht scheut, in die Vertriebsstrukturen im Buchhandel einzugreifen? Es fällt schwer zu glauben, dass allein das Bedürfnis nach Richtigstellung von Tatsachen dahinter stecken soll – zum Beispiel, dass die Oppenheim-Filialen entgegen Rügemers Behauptung doch Bankschalter haben.
Sollte der Einschüchterungsversuch Erfolg haben – und sei es nur, dass einige Händler das Buch aus Angst vor den finanziellen Folgen der angedrohten rechtlichen Schritte nicht mehr listen – käme das einer Zensur recht nahe.
Werner Rügemer: Der Bankier.
Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim. Nomen Verlag, Frankfurt. Geschwärzte Ausgabe, 130 Seiten, 14 €