Geschickt verpackter Hass

Der Stadtrat erkennt nur langsam, dass er sich mit den Rechtsextremisten von »Pro Köln« inhaltlich auseinander setzen muss. Die so genannte Bürgerbewegung bastelt unterdessen an »Pro Deutschland«.

Sitzungen des Stadtrates sind in Köln für viele Politiker eine vergnügliche Angelegenheit: Während die einen im Plenum sitzen, vertreiben sich die anderen die Zeit in der Kantine. Bei Schnittchen und Kölsch, Kaffee und Weingummi plaudern sie über Gott und die Welt. Die Rechtsextremen der so genannten Bürgerbewegung Pro Köln saßen dabei immer am Katzentisch, niemand wollte mit ihnen etwas zu tun haben. Das hat sich in jüngster Zeit geändert: Da kann man CDU-Ratspolitiker sehen, die mit Vertretern der Rechtspopulisten freudig herumalbern. Ein neuer Trend?

Union sucht neue Verbündete

Die CDU im Kölner Rathaus leidet unter den politischen Verhältnissen. Die Große Koalition ist geplatzt, die SPD will von den einstigen Freunden kaum noch etwas wissen. Zwar hatte die Union bei der Kommunalwahl 2004 die meisten Stimmen geholt, trotzdem hat sie im Rat wenig zu sagen. Dieser Verlust der Macht ist bitter – und er fördert Spekulationen über eine mögliche Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen. In zwei Bezirksvertretungen stimmte die CDU schon Anträgen von Pro Köln zu.

Winrich Granitzka, Fraktionsvorsitzender der CDU im Stadtrat, sieht solche Voten als Ausrutscher: »Pro Köln schürt Fremdenfeindlichkeit«, sagt er und beteuert: »Eine Zusammenarbeit kommt für uns nicht in Frage.« Andere in seiner Partei sind da nicht so entschlossen. Sie mögen zwar (noch) nicht mit ihren Namen in den Medien auftauchen, gleichwohl betreiben sie strategische Gedankenspiele. »Wenn Rot-Grün den Stadtdirektor mit linken Extremisten wählen kann« – gemeint ist die Fraktion Die Linke –, »dann müssen wir uns überlegen, ob unsere Ablehnung von Pro Köln noch zeitgemäß ist«, heißt es hinter den Kulissen.

Manches Thema der rechten Redner liegt durchaus auf Linie der Konservativen im Rathaus. Wenn über den Bau einer Zentralmoschee oder die Kriminalität unter Jugendlichen lamentiert wird, kann man den einen oder anderen in den Reihen der Unionsfraktion schon mal andächtig nicken sehen. Formal darf das natürlich nicht sein – Granitzka findet die Ideologie von Pro Köln »miserabel«. Aber die Kölner CDU ist ein derart zerstrittener Haufen, dass es für den Fraktionsvorsitzenden manchmal einfacher wäre, den sprichwörtlichen Sack Flöhe zu hüten.

Rechtsextrem von der Mitte aus

»Die größte Gefahr des Rechtsextremismus geht wahrscheinlich nicht von braunen Schlägerbanden aus, auch wenn sich das für diejenigen, die von gewalttätigen Übergriffen betroffen sind, anders darstellen mag«, sagt der Rechtsextremismus-Forscher Christoph Butterwegge. Der Politikprofessor an der Kölner Universität hat sich intensiv mit Gruppierungen wie Pro Köln beschäftigt: »Die eigentliche Gefahr für die Demokratie geht eher von Rechtspopulisten aus, die sich einen seriösen Anstrich geben und versuchen, auch bürgerliche Kreise anzusprechen.« Dieser gefährliche Rechtsextremismus »aus der Mitte der Gesellschaft« knüpfe oft an berechtigte Bedürfnisse an, sagt Butterwegge. So werde immer wieder das Thema Innere Sicherheit in den Mittelpunkt gestellt. Auf den ersten Blick durchaus vernünftige Diskussionsbeiträge würden dann aber stets »missbraucht, um Stimmung gegen Minderheiten zu machen«. Für demokratische Parteien sei es schwierig, mit Rechtextremisten in Parlamenten umzugehen, räumt Butterwegge ein: »Ich halte aber nichts davon, so zu tun, als wären sie nicht da.« Man müsse sich zum Beispiel im Stadtrat mit guten Argumenten gegen ihre Propaganda wehren.

In der Rathaus-Kantine ist das allerdings schwierig. Das haben jetzt auch die Ratspolitiker eingesehen. »Die Strategie war bisher, sie auflaufen zu lassen«, gibt der SPD-Vorsitzende Jochen Ott zu. »Aber wir haben festgestellt, dass das auf der Besuchertribüne schlecht ankommt.« Gerade in den ersten Stunden der Sitzung, in denen die Anträge der Fraktionen behandelt werden, zeigt sich Pro Köln besonders fleißig. So kommt es, dass Schulklassen und Bürger reihenweise rechtspopulistische Reden hören und sich wundern, dass dabei der halbe Ratssaal leer ist und die andere Hälfte in Zeitungen blättert oder abwesend in die Luft starrt.

Mit Hilfe der Geschäftsordnung wollen die Fraktionen das ändern und die Bedingungen für das Schüren von Fremdenängsten im Stadtparlament verschlechtern. Das aber kann nur die eine Seite der Medaille sein – darüber sind sich inzwischen auch alle einig. Um eine inhaltliche Auseinandersetzung wird man nicht herumkommen. »Pro Köln betreibt eine Politik, die zunehmend auf Radikalisierung setzt und auf Positionen, die fast in den nationalsozialistischen Bereich hineingehen«, sagt SPD-Chef Ott. Das müsse man thematisieren.

Anstrengende Demokratie

Solche Worte treffen bei den Rechtsaußen-Politikern natürlich auf wenig Begeisterung. Vor Gericht wollten sie sogar dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz verbieten, Pro Köln weiterhin als rechtsextremistisch zu bezeichnen. Erfolg hatten sie damit nicht, zu offensichtlich war den Richtern die ausländerfeindliche Gesinnung.

Trotz dieser Niederlage will sich die Gruppierung aber nicht auf den Kölner Raum beschränken. Ihren Kampf gegen die Ehrenfelder Zentralmoschee preisen die Funktionäre bereits als Modell für andere Städte und Gemeinden – und mit der neu gegründeten Organisation »Pro Deutschland« haben sie auch schon einen bundesweiten Verband geschaffen, der das »Erfolgsmodell Pro Köln« exportieren soll. In einem Strategiepapier wird zum Beispiel empfohlen, alle Anschriften von Menschen zu registrieren, die sich an schriftlichen Protestaktionen beteiligen. Von der zentralen Stelle in Köln aus sollen diese dann weiter mit rechtspopulistischer Agitation versorgt werden. Bereits jetzt verteilt man in Köln überall Flugblätter, wo sich Anwohnerproteste regen.

»Wir nehmen das zur Kenntnis und gehen deshalb selbst stärker in die Stadtteile«, sagt der Kölner Grünen-Vorsitzende Jörg Heinrich Penner. Es gehe darum, die Bürger wieder intensiver zu informieren, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und als Partei eigene Diskussionsvorschläge zu machen. So soll eine funktionierende Demokratie dem Rechtsextremismus den Garaus machen. Doch Demokratie ist anstrengend.

Gut versteckter Hass

Diese Anstrengung aufzubringen sind viele der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker in den großen Parteien kaum noch bereit – siehe die Rathaus-Kantine während der Ratssitzungen. Zu unübersichtlich ist die Lage im Stadtparlament, zu oft muss man politische Niederlagen einstecken. Das mag zermürben. Die Rechtsextremen allerdings fühlen sich dadurch ermutigt: Auf ihrer Homepage lästern sie gegen die »etablierten Parteien«, werfen ihnen Klüngel und »mangelhaftes Demokratieverständnis« vor.

Unterdessen basteln sie im Hintergrund weiter an der Verpackung ihrer Politik. Der Hass auf Andersgläubige und Menschen anderer Herkunft werde zuweilen »gut versteckt«, sagt Professor Butterwegge, deswegen sei er im Einzelfall auch schwierig nachzuweisen. Butterwegge sieht Pro Köln trotzdem klar in einer Reihe mit NPD, DVU und Republikanern.

Auch in den Gästebüchern einschlägiger rechtsextremer Internetseiten finden Positionen und Statements von Pro Köln immer wieder Beachtung. Die Grundlage für »Pro Deutschland« ist offenbar bereits gelegt.

Frank Überall, 35, lebt als freier Journalist und Buchautor in Köln. Zurzeit promoviert er über Kommunalpolitik.