Gelb statt Magenta

Mit »Die Quereinsteigerinnen« legen die Kölner Rainer Knepperges und Christian Mrasek ihr ebenso lustiges wie nostalgisches Langfilmdebüt vor. Ein Interview über Neid, Nostalgie und Vorbilder, die einem in den Arsch treten

Im Entführungsgeschäft gibt es wahrscheinlich nur Quereinsteiger, passender wäre also der Titel »Die Dilettantinnen« gewesen. Recht amateurhaft benehmen sich zumindest die beiden Freundinnen Katja und Barbara, als sie den Chef der Telekom entführen. Einen ausgeklügelten Plan haben die beiden nicht, auch ihre Forderung scheint eher einer Laune entsprungen zu sein: Sie wollen kein Lösegeld, sondern nur die alten gelben Telefonhäuschen wiederhaben. »Die Quereinsteigerinnen« ist trotz des Themas alles andere als ein Thriller. Die beiden Kölner Filmclub-813-Mitglieder Rainer Knepperges und Christian Mrasek (siehe Interview S. 50) sind dem Lo-Fi-Humor ihrer Kurzfilme treu geblieben und haben eine sympathische, etwas nostalgische Komödie gedreht, bei der Haltung mehr zählt als Handwerk. Schließlich sind die beiden Filmemacher Quereinsteiger.

StadtRevue: »Quereinsteigerinnen« wirkt mit seiner Entführungsgeschichte wie eine Parodie auf »Die fetten Jahre sind vorbei«.

Rainer Knepperges: Die Dreharbeiten waren gleichzeitig. Hans Weingartner war dann aber viel schneller. Ich habe mir den Film nicht angeguckt, weil ich zu neidisch war, dass einer mit einem ähnlichen Thema nach Cannes kommt. Es war klar, dass wir so einen Erfolg nie haben werden.

Euer Film steht mit seinem ziemlich eigenen Humor quer zu dem, was so als neues deutsches Filmwunder gefeiert wird.

Knepperges: Wir drehen unsere Filme ja nicht, um das Gegenteil von dem zu machen, was wir nicht gut finden. Ich glaube, dass wäre eine komische Motivation. Es ist ja eigentlich immer alles irgendwie Imitation: Wir imitieren das, was wir gut finden. Vielleicht erkennt man dann nicht wieder, was wir da imitieren, aber es sind Versuche, etwas zu machen, was man selber gucken will. Neid kann auch ein Ansporn sein, aber dann ist es immer gut, wenn man Freunde beneidet. Innerhalb der Kölner Gruppe haben ja andere schon Langfilme gedreht, der Franz Müller hat »Kein Science Fiction« gemacht, Markus Mischkowski und Karl Maria Steinkühler »Westend«. Mit denen hatten wir vorher Kurzfilme gedreht, und dann hieß es bei uns, wenn der das kann, dann kann ich das doch auch.

Eure filmischen Vorbilder stammen offensichtlich aus den 60er und 70er Jahren.

Mrasek: Eines unserer Vorbilder spielt ja im Film mit: Klaus Lemke. Der Film »Running out of Cool« von ihm hat eine große Rolle gespielt. Wir waren so begeistert, was für jugendliche Filme der immer noch macht, dass wir ihn in München besucht haben. Der hat uns dann mit seinem Enthusiasmus angesteckt und uns in den Arsch getreten.

War euch eigentlich von Anfang an klar, dass euer Film so nostalgisch werden wird? Es geht ja um zwei Frauen, die den Chef der Telekom entführen, damit wieder die alten gelben Telefonhäuschen aufgestellt werden.

Knepperges: Das war absehbar, aber nicht unbedingt gewollt. Wenn man Herp Alpert gut findet und diese Klamotten, wenn man so eine Welt mag und deswegen in den Film reinnimmt, dann nicht, weil man hofft, die Zeit käme zurück. Diese Welt existiert ja noch. Als wir rumgefahren sind, um Drehorte zu finden, ist uns aufgefallen, dass überall im Lande noch gelbe Telefonzellen rumstehen. Wenn man dann jemandem erklärt, wovon der Film handelt, und sagt, bei ihnen vorm Haus steht ja noch eine, war sehr oft die Reaktion: Ach was, da steht noch eine gelbe Telefonzelle? Diese Welt existiert also noch, wird aber gar nicht mehr wahrgenommen. Es geht ja bei uns nicht darum, dass wir unseren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben wollen.

Mrasek: Es geht eher darum, Gutes zu bewahren, und nicht jeden neuen Scheiß sofort mitzumachen. Wir haben immer noch kein Handy.

Als sie eingeführt wurden, galten die gelben Telefonzellen bestimmt als Verschandelung der Landschaft.

Knepperges: Klar, das ist immer eine Frage der Perspektive: Als der Eiffelturm gebaut wurde, hat Zola oder irgendein Franzose gesagt, der einzige Ort an dem man sich in Paris noch aufhalten könne, sei der Eiffelturm, da das der einzige Ort ist, an dem man ihn nicht sieht.

Im Presseheft erklärt ihr, dass die Schauspieler nicht viel improvisiert haben, der Film hat aber durchaus diesen improvisierten Charme.

Knepperges: Obwohl wir nicht viel Zeit hatten, konnten wir, wenn wir an einem Ort länger gedreht haben, die Schauspieler so oft sprechen lassen, bis kleine Fehler passiert sind, die dann wieder lebendige Reaktionen beim Gegenüber ausgelöst haben. Unser Cutter Kawe Vakil hat ein Gespür dafür, diese Tempowechsel, dieses Jazzartige sozusagen, zu betonen und nicht zu glätten.

Man merkt dem Film an, dass es euch auch um den Spaß am Sprechen an sich geht.<

Knepperges: Wenn wir etwas von Lemke gelernt haben, dann dass es beim Reden nicht zuvorderst um Mitteilung geht, sondern dass einer auch mal alleine reden kann, und dass diese Selbstdarstellung den anderen beflügelt. Bei Lemke bestehen die Dialoge zur Hälfte aus Sprüchen.

Diesen Spaß am verbalen Schlagabtausch hat Lemke wiederum bei seinem Vorbild Howard Hawks gelernt.

Knepperges: Ja, »His Girl Friday« zum Beispiel ist ein Film, in dem nur geredet wird. Aber das ist Action. Das hat die Qualität von einer Autoverfolgungsjagd. Es gibt keine Botschaft, keine Weisheit, keine Lehre zu verbreiten und auch keine Erklärungen. Man wird ja lange suchen, bis man in unserem Film Gründe genannt bekommt, für das, was passiert. Trotzdem glaube ich, versteht man alles.

Hawks war auch ein Meister darin, Genres gegen den Strich zu bürsten. Obwohl ihr einen Entführungsfilm gedreht habt, ist »Quereinsteigerinnen« alles andere als ein Thriller.

Mrasek: Wir hatten ursprünglich am Ende noch Action eingebaut, so Kletterszenen und Tunnel, aber das hat gar nicht gepasst.

Knepperges: Während wir diese Szenen gedreht haben, hat eine unserer Hauptdarstellerinnen, Claudia Basrawi, schon gesagt: Wollt ihr eigentlich einen Film machen, der so aussieht, als hätte Eric Rohmer bei »Winnetou 4« Regie geführt? Sie hatte Recht, aber bei so einer treffenden Bemerkung kann man auch nicht direkt sagen, okay, lass uns einpacken, drehen wir wieder in der Hütte, sondern dann dreht man da halt zu Ende.


Rainer Knepperges und Christian Mrasek

Knepperges ist Mitbegründer des Filmclub 813. Seit 1987 als Regisseur, Autor und Darsteller beteiligt an über 15 meist kurzen Spielfilmen der Kölner Gruppe. Zuletzt im Jahr 2000 gemeinsam mit Christian Mrasek der preisgekrönte Kurzfilm »Tour Eifel«.

Christian Mrasek ist seit 1994 Mitglied des Filmclub 813. Mit »Der Servantilist« drehte er 1996 gemeinsam mit Jukka Schmidt seinen erster Kurzfilm. Seitdem ist er als Autor und Regisseur beteiligt an etlichen Kurzfilmen der Kölner Gruppe.

Kölner Gruppe

Ein loser Zusammenschluss verschiedener Filmemacher aus dem Umfeld des Kölner Filmhauses und des Filmclub 813. Den Begriff Kölner Gruppe prägte der Filmkritiker Peter Nau anlässlich einer Retrospektive im Arsenal Kino in Berlin. Nicht ganz zufällig erinnert der Begriff an die Münchner Gruppe, zu der in den 60er Jahren Regisseure und Drehbuchautoren wie Rudolf Thome, Max Zihlmann und Klaus Lemke gehörten.