Süßes Gift

Alles beginnt auf einem Karussell, dessen Fliehkraft die Liebenden allmählich an die Wand drückt. Im Taumel der Bewegung verschwimmen die Leiber und Gesichter, bis Dan (Heath Ledger) und Candy (Abbie Cornish) endgültig den Boden unter den Füßen verlieren. Viel poetischer kann ein Junkie-Melodram wohl nicht beginnen, und auch nicht viel symbolischer. Wir ahnen es schon, bevor wir es sehen: Unter den Liebenden gähnt ein Abgrund aus sozialem Abstieg und Beschaffungskriminalität.

Abstieg in die Hölle

Als sich Dan und Candy verlieben, ist er schon süchtig nach Heroin und sie nur allzu gern bereit, ihm in die Sucht zu folgen. »Wir wollen alles teilen«, sagt Dan, »vor allem die besten Augenblicke«. Das Geld pumpen sie sich bei Candys ahnungslosen Eltern, oder sie schnorren bei Dans väterlichen Freund, dem Chemie-Professor Casper (Geoffrey Rush), der seine Drogen im Labor der Universität kocht. Als diese Quellen versiegen und aller Besitz versetzt ist, beginnt Candy, sich zu prostituieren. Dan schaut hilflos zu und versucht sich mit wechselndem Erfolg als Kreditkartenbetrüger.

Der australische Regisseur Neil Armfield erzählt seinen Film in drei Kapiteln: Himmel, Erde und Hölle. Ganz so barock, wie es in den Zwischentiteln anklingt, ist »Candy« gleichwohl nicht geworden. Eher distanziert verfolgt Armfield den Weg seiner Protagonisten, die in besseren Tagen Hochzeit feiern und einen neuen Anfang wagen wollen, als Candy schwanger wird, doch zumeist nur für den nächsten Schuss leben. Das ist so geradlinig inszeniert, dass es wie eine Fallgeschichte wirkt, und bleibt doch individuell genug, um das Publikum zu rühren. Mit geduldigem Kalkül wird der Drogensucht jeder Anflug von Romantik ausgetrieben, und die Liebesgeschichte wandelt sich zum Melodram.

Tragische Unausweichlichkeit

Verglichen mit jüngeren Drogenfilmen wie Darren Aronofskys »Requiem for a Dream« oder Lisa Cholodenkos »High Art« wirkt »Candy« auf den ersten Blick ein wenig anspruchslos. Armfield stilisiert die Sucht weder zum Zeichen der Zeit noch zur Spielart der künstlerischen Lebensform, sondern zeigt sie einfach als Anfang vom Ende. In dieser Beschränkung liegt zugleich die Stärke des Films: Alles kommt so, wie es kommen muss, und dank dieser Unausweichlichkeit gewinnen die Figuren tragische Statur. Dafür sorgt auch ein großartiges Ensemble, in dem Heath Ledger seine Rolle aus »Brokeback Mountain« abzuwandeln scheint: Am Ende gibt Dan seine große Liebe auf und bleibt als Hüter der Erinnerung zurück.


Candy (dto) AUS 05, R: Neil Armfield,D: Abbie Cornish, Heath Ledger, Geoffrey Rush, 116 Min. Start: 21.9.