Mehr Lo-Fi für das Hochgefühl

Hot Chip aus London sind anders als die anderen angesagten Bands aus London – und insbesondere anders als diese ganzen Disco-Wave-Beat-Plagiate, die lang­­sam anfangen zu nerven. Obgleich auch Hot Chip sich ein ­bisschen auf Disco eingelassen ­haben, doch dazu später.

Eigener Sound gegen Langeweile

Die Band ist so was wie das Lebensprojekt von Alexis Taylor und Joe Goddard. Die beiden Briten kennen sich seit gemeinsamen Schultagen, der Überlieferung nach war ihr erster Kontakt nicht unbedingt von Freundschaft geprägt. Doch irgendwann beschlossen sie, der Langeweile der umherflimmernden Musiken einen eigenen Sound entgegenzusetzen: interessante, anspruchsvolle Musik ohne Gitarren, die gleichzeitig auch als Popmusik funktioniert. Ganz im Sinne ihrer musikalischen Idole wie Paul McCartney, Brian Wilson, Brian Eno oder auch Phil Spector.

Hot Chip war geboren. Die erste EP »Mexico«, 1999 aufgenommen, veröffentlichte das Duo 2001, kleine Labels horchten auf. Drei Jahre später endlich erschien das Debütalbum »Coming On Strong« beim kleinen Moshi-Moshi-Label. Das Album kassierte blendende Kritiken und rief, wie so oft, einen Major auf den Plan, in diesem Fall die gute alte EMI über ihr Label DFA.

Auf die Tanzfläche bewegt

Aus gutem Grund: Taylor und Goddard bieten auf ihrem Debüt besten, minimal gehaltenen Elektropop mit guten Portionen lustigem Soul, vielen Key­boards und rudimentären Beats. Garniert mit wunderbaren Melodien und zweistimmigem, kon­trast­­reichen Gesang. Während Joe God­dard insbesondere durch leicht desinteressiertes, dunkleres Murmeln in Erscheinung tritt, ­beherrscht Alexis Taylors hoher ­Gesang die Songs deutlich. Sind Hot Chip vielleicht eine Art ­Lo-Fi-Ausgabe der Pet Shop Boys, ­­die über Stevie Wonder und Prince meditieren?

Auf ihrer aktuellen, zwei­ten Platte ist aus dem Duo eine richtige Band geworden, auch Gitarren in den Händen von Owen Clarke kommen zum Einsatz. Und Hot Chip haben sich deutlich in Richtung Tanzfläche bewegt, die Anteile an Disco, House und meinetwegen 2Step sind vergleichsweise hoch. Auf die obligatorischen, clubtauglichen Remixe, etwa von Cosmic Sandwich oder auch den bewährten Trendsettern aus dem Hause DFA, musste man nicht lange warten.

Beste Voraussetzungen also, um bei Indie-Nerds und in der Diskothek gleichermaßen zu punkten und eine Konsensband der Saison zu werden. Doch trotz des verlockenden Angebotes, das neue Album komplett vom LCD Soundsystem in New York pro­duzieren zu lassen, entschieden sich Goddard und Taylor, die Stücke wie üblich in Goddards Wohnung aufzunehmen. Egal wie hoch die Erwartungen sind, warum sollte man auch sein bewährtes Arbeiten ändern?



Konzert: Di 12.9., Prime Club, 20 Uhr.
Tonträger: Hot Chip, »The Warning« (DFA/Labels/EMI) ist bereits erschienen.