Werkschau Oswald Wiener

Sein einziger Roman trägt den größenwahnsinnigen Titel »Die Verbesserung von Mitteleuropa« (das meint er ernst), und eines seiner letzten Projekte ist eine CD mit Tiermusik von kanadischen Schlittenhunden, die belegt, dass des Hundes Lust am eigenen Gebell nicht dumpfer Natur ist, sondern im Dienst des Ästhetischen steht (»Die Schönheit dieser Kanadischen Hundegesänge … lässt den Hörer mit der Zeit selbst zum Hund werden«, Rezensent Diede­richsen). Ein Selbstdenker, ein Querdenker, ein Künstler, dazu ein Visionär des Cyberspace: Im Oktober kommt er für vier Veranstaltungen nach Köln, und vermutlich werden wir am Ende vieles nicht kapiert haben, aber um Entscheidendes schlauer und ein Erlebnis reicher sein.

Oswald Wiener, geboren 1935 in Wien, studierte zunächst Jura, Musikwissenschaft, afrikanische Sprachen und Mathematik. 1954 gründete er mit H.C. Artmann, Gerhard Rühm u.a. die Wiener Gruppe, eine der radikalsten Küns­tlervereinigungen der Nachkriegs­zeit, deren Literaturperformances frühe Happenings waren. Wie manche seiner besten Köpfe hat Österreich ihn schließlich massiv vergrault (diverse Strafverfolgungen), so dass er 1969 nach Berlin West geht, bis 1986 mehrere Künstlerlokale betreibt (u.a. »Exil«, tapeziert von Dieter Roth) und an der TU Berlin in Mathematik und Informatik promoviert. 1992 bis 2004 hat er eine Professur an der Kunstakademie Düssel­dorf und lebt heute in Dawson City (Kanada) und Österreich.

Wiener hat Autoren wir Mayröcker und Franzobel beeinflusst und ist heute u.a. Träger des Großen Österreichischen Staatspreises für Literatur (1989). In philosophisch­-wissenschaftlichen Aufsätzen erforscht er die Natur des Denkens, der Poetik, die »Probleme der künstlichen Intelligenz« (1990), prinzipiell aller Phänome­ne, die Erhellung ins Kommunika­tions­geschehen bringen (wozu eben auch Hundegesang gehören kann). In Köln wird er unveröffent­lichte Aufsätze vorstellen, mit Thomas Raab »Versuche in und über Humbug« vornehmen und ei­nen Abend dem legendären Früh­werk »Die Verbesserung von Mitteleuropa« (Rowohlt 1969/1985) widmen: Ein utopischer Entwurf des durch die Kybernetik veränderten Menschen.

Ensuite 23.-26.10.

23.10. Wittgensteins Maschine-Metaphern – Der Dichter als Philosoph, ­Literaturhaus, 20 Uhr
24.10. Oswald Wiener & Thomas Raab: Versuche in und über Humbug, Literatur­haus, 20 Uhr
25.10. Die Verbesserung von Mittel­europa (kommentierte Lesung), Kunsthaus Rhenania, Rheinauhafen, Bayenstr. 26, 20 Uhr
26.10. Unbewusste Vorgänge beim Problemlösen – Ideen zur Ästhetik der Einsicht, Universität Köln, Aula II, 9 Uhr