»Der Pazifismus wird niedlich geredet«

Der Publizist und Historiker Martin Stankowski gehörte seit 1984 zu den Kölner Grünen und war einer ihrer prominentesten Vertreter. Auf der letzten Mitgliederversammlung erklärte er – neben vielen anderen lokalpolitisch Aktiven – öffentlich den Austritt.

SR: Vermute ich richtig, dass die Zustimmung der Grünen zum Kriegseinsatz deutscher Soldaten in Afghanistan der Grund für Ihren Austritt ist?

Stankowski: Ja. Ich bin mit der Entscheidung der Bundesregierung, sich am »Krieg gegen den Terrorismus« zu beteiligen, nicht einverstanden. Außerdem ist da, angefangen von der »bedingungslosen Solidarität« bis zur Vertrauensfrage des Kanzlers, eine Geschwindigkeit vorgelegt worden, die Abwägungen und Alternativen gar nicht zuließ.

Als da wären?

Jahrelang haben wir gesagt, es kommt darauf an, Europa zu einer Kraft zu entwickeln, die eine eigene Stimme auch gegenüber den USA hat. Jetzt aber wurde die Chance vertan, Europa überhaupt ins Spiel zu bringen. Außerdem wird ein Krieg geführt, der keine Grenzen oder definierte Gegner kennt. Über ökonomische Interessen in der Region wird nicht geredet, das völkerrechtliche Gebot, Zivilisten zu schonen, wird übergangen, das Parlament mit dem Druck auf die Abgeordneten delegitimiert ... Als Bürger kann ich anders wählen, als Mitglied einer Partei, die dies mehrheitlich akzeptiert, kann ich austreten.

Warum erst jetzt?

Ich habe den Parteitag in Rostock abgewartet. Natürlich weiß ich, dass es auch um die Koalition geht, aber Opposition ist doch keine Schande! Auch um den Preis der Regierungsbeteiligung müssen die Grünen als Partei erkennbar und vor allem unterscheidbar sein. Und ich persönlich will als öffentlich auftretender Mensch nicht mit dieser Politik identifiziert werden.

Sie hätten schon während des Kosovo-Krieges austreten können.

Damals habe ich die Argumente zwar nicht akzeptiert, aber verstanden. Die spezifisch deutsche Geschichte war seinerzeit noch auf beiden Seiten der politische Kontext. Jetzt kommt die Art und Weise hinzu, wie der politische Pazifismus niedlich geredet wird. Und das Wichtigste: Krieg ist auch für die Grünen zu einem möglichen Mittel der Politik geworden. Das halte ich für historisch überholt, für moralisch obsolet und für politisch falsch.

Als Historiker und Pazifist?

Als Anti-Militarist. Als Historiker finde ich es fatal, dass jetzt, wo Deutschland angeblich die Weltpolitik mitgestaltet, die eigene Geschichte überhaupt nicht mehr im Begründungszusammenhang vorkommt. Das war beim Kosovo-Krieg noch anders. Es ist ein Treppenwitz, dass für die Grünen, die einzige originär bundesrepublikanische Partei, die deutsche Geschichte keine Rolle mehr spielt.

Christian Ströbele hat die Kriegsgegner zum Verbleib in der Partei aufgerufen.

Für mich war die Entscheidung von Rostock der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Davon abgesehen, beobachte ich eine Orientierung auf Mittelschichtsprobleme, die ich nicht richtig finde.

Gibt es so etwas wie Wehmut beim Verlust der politischen Heimat?

Ich war nie ein emotional gebundenes Parteimitglied, ich habe das immer sehr funktional gesehen. Aber trotzdem: Leute wie ich, die ihr bürgerschaftliches Engagement zu den Grünen gebracht hat, werden da seltener.

Sehen Sie das auf der Bundesebene genauso?

Ja. Die, die dort jetzt das Sagen haben, kommen doch oft aus den kommunistischen Gruppierungen der 70er Jahre und nicht aus den Bürgerinitiativen. Vielleicht sind sie daher »die disziplinierten Parteisoldaten«.

Wer kommt nach bei den Grünen?

In Köln beobachte ich, dass Jüngere nachrücken. Die haben ganz andere Erfahrungen als wir, die wir aus den sozialen Bürgerbewegungen der 70er Jahre kommen. Aber was da letztlich herauskommt, weiß ich auch nicht.

Hätten Sie noch Wünsche an die Partei?

Sie müsste mit ihren Kritikern wie mir, auch jenen aus der SPD, einen Diskussionsprozess organisieren, gerade auch, um ihre neue Politik zu propagieren oder zu legitimieren. Aber die sind oft nur froh, dass sie uns losgeworden sind.

Wie sehen Sie denn die Zukunft der Kölner Grünen?

Ich finde, dass vor allem Barbara Moritz eine gute und geschickte Ratspolitik macht, und in einzelnen Fragen, wie bei dem geplanten Verkauf der GAG, wäre ich sofort bereit, mich öffentlich zu engagieren. Als öffentlich predigender Renegat bin ich nicht zu haben.

Werden Sie Ihr Aufsichtsratsmandat bei der Stadtsparkasse niederlegen, das sie für die Grünen wahrnehmen?

Das entscheidet die Fraktion im Rat, die mich ausgewählt hat.