»Bei Palms do is die Pief verstopp«

In der Palmstraße kann man zwischen Gaffel und Reissdorf wählen, aber nicht zwischen Tradition und Moderne

Nichts ist bekanntlich mehr so, wie es einmal war. Die Palmstraße, in 50672 Köln, schon. Als ich vor 17 Jahren in diese Seitenstraße des Hohenzollernrings zog, näherten sich die jahrelangen U-Bahnbauarbeiten ihrer Vollendung, und die Hausbesitzer begannen, Inneres und Äußeres der anliegenden Immobilien aufzupolieren: Ein Viertel im Aufbruch. Am Friesenwall, um die Ecke, wo 1984 noch eine einsame Nutte ihre allabendlichen Runden drehte, machten sich unaufhaltsam Boutiquen und Friseure breit, und die Friesenstraße wurde gar zur Amüsiermeile für den Bergheimer schlechthin. Nur die Palmstraße hat sich heroisch allen Modernisierungswellen widersetzt. Nun gut: Wo früher »Minden am Ring« logierte, residiert jetzt die Citibank, gegenüber hat sich Burger-King breitgemacht, die Bar Chez Moi (»Hier können Sie was erleben«) öffnet jetzt schon mittags um eins, und der Vietnamese, der jahrelang die Gourmets anzog, ist nun ein Franzose und heißt Plat du Jour. Hilft alles nichts. Die Palmstraße bleibt was sie war: einer dieser Orte mit dem gewissen Nichts.

Katholische Schulcontainer

Von meinem Erker aus habe ich die Straße im Griff. Ich sehe alles – wenn es denn was zu sehen gäbe. Gibt es aber nicht. Ist die Hohe Straße die meistfrequentierte Straße der Republik, dann liegt die Palmstraße am untersten Ende der Skala: Es scheint, als würde sich kein Fremder hierher verirren. Pilgerten nicht täglich die Schüler in die Katholische Grundschule, die in einem Container, Ecke Wallgasse, angesiedelt ist, die Bilanz sähe noch wesentlich trüber aus. Irgendwie passt es zur Palmstraße, dass hier die Calypso-Filmproduktion ihren Hauptsitz hat. Die produzierten mit »Fandango« einen der größten Filmflops der jüngsten Vergangenheit. Doch einmal im Jahr, an einem Wochenende im August, tritt auch diese Straße ins Scheinwerferlicht. Und das, obwohl die Menschen, die es dann zur Palmstraße drängt, für ihre Geschäfte eher den Schatten suchen: Die Besucher des »Musikfests am Ring« nutzen die Palmstraße gerne als Freiluft-Pissoir.

Karnevalsasyl im Brücker Wald

Da ich strategisch günstig wohne, direkt über der Gaffel-Schenkwirtschaft »Palm’s Pief« und gegenüber von der Reissdorf-Kölsch-Kneipe »Zum Grünen Eck« – hier ist das ganz Jahr Karneval –, beherrsche ich mittlerweile sämtliche Karnevalslieder aus dem Effeff. Eine reife Leistung für einen Menschen, für den der Fastelovend soviel Anziehungskraft hat wie für andere ein Zahnarztbesuch. Deshalb verlasse ich auch alljährlich an Weiberfastnacht mein angestammtes Zuhause und quartiere mich bei Freunden in Brück im Wald ein. Doch spätestens am Aschermittwoch zieht’s mich dann in die Palmstraße zurück: Muss wohl so etwas wie Liebe sein.