Showdown

Totgesagte leben länger. Das galt bislang auch für das Kino, doch in Köln führten in den letzten Jahren überregionale Entwicklungen und hausgemachte Probleme zu einer dramatischen Abnahme der Abspielmöglichkeiten im Bereich der ­Filmkultur. Sven von Reden kommentiert die Situation. Manfred Wegener hat Vorführräume Kölner Kinos fotografiert.

 

Die Regionalliga ruft
Köln nennt sich Medien­stadt, aber eine Kino­stadt ist sie schon lange nicht mehr. ­

Auch alte Erkenntnisse können Spreng­stoff bergen. Als Ende Ok­tober im Workshop Film des »1. Kölner Kulturpolitischen Sym­po­siums« die versammelten Experten langwierig erklärten, warum Kino »gleichberechtigt in den Kanon der Künste« gehöre, waren viele der Zuhörer irritiert. Ist das nicht eine Dis­kussion, die schon seit Jahrzehnten entschieden ist? Muss denn der Film immer wieder neu zur siebten Kunst ausgerufen werden?

Doch das Revolutionäre sind die Folgerungen, die sich aus einer solchen Feststellung für die Politik ergeben. Wenn das Kino der Bildenden Kunst, dem Theater oder der Musik gleichgestellt ist, dann müsste es auch die gleichen Ansprüche auf öffentliche Schutzräume erheben können, die nicht dem Primat der Ökonomie ausgeliefert sind – mit allen finanziellen Folgen, die sich daraus ergeben.

Doch diese Schlussfolgerung scheint in den Kommunen noch nicht gezogen worden zu sein. Köln ist ein gutes Beispiel. Die Millionenstadt gibt weniger als 0,01 Prozent seines ohnehin im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten mageren Kulturhaushalts für die Filmkultur aus, das sind 60.000 bis 80.000 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Für die städti­schen Bühnen stehen 44 Millionen Euro zur Verfügung, also weit mehr als das 500-fache.

Natürlich rechtfertigen sich die höhe­ren Aufwendungen durch den großen Per­sonalaufwand an einem Schauspielhaus im Vergleich zu einem Kino. Dennoch kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass dem Kino, trotz seiner enormen kulturellen und ge­sellschaft­lichen Bedeutung in den letzten ­110 Jahren, auf kommunaler kulturpoliti­scher Ebene kaum Gewicht beigemessen wird.

Das ist keine neue Erkenntnis. Als ­­vor fünf Jahren das Broadway auf der Ehren­stra­ße geschlossen wurde, kamen auf einer von der Filmsociety organisierten Veranstaltung Vertreter aller im Rat vertretenen Parteien und die damalige Kulturdezernentin Marie Hüllen­kremer zu dem gleichen Ergebnis. Heute lässt sich feststellen, dass sich die Lage der ­Kinokultur in Köln weiter verschlechtert hat.

In der damals leer stehenden ehema­li­gen Cine­mathek werden zwar nach jahrelanger Pause seit Beginn des Jahres wieder Filme gezeigt, aber wirkliche Impulse konnte das dortige Filmforum NRW bislang nicht liefern. Durch die he­­terogene Zusammensetzung der das Filmprogramm bestückenden Vereine, Verbände und Stiftungen kann hier auch gar kein Programm mit eigenem Profil entstehen. Verschärft hat sich die Situation zum einen im Hinblick auf die Filmgeschichte: Sieht man vom herausragen­den Programm des Japani­schen Kulturinstitut ab, lässt nach dem Ende der Lupe 2 im letzten Jahr nur noch der Filmclub 813 Filmgeschichte in größerem Umfang auf der Leinwand lebendig werden. Besonders schlimm sieht es bei den Leinwänden für Erstaufführungen im Art­house-Bereich aus. Schon vor der Schließung der Säle des Broadway galt Köln nicht als erste Anlaufstelle für Verleiher. Mittlerweile hat auch noch das Residenz geschlossen und das Filmhaus wird ab diesem Monat keine Erstauf­führungen mehr zeigen – trotz aller Bemühungen der Stadt Köln und der Filmstiftung NRW, auf den Betreiber einzuwirken (siehe StadtRevue 11/06).

Das bedeutet, dass mittlerweile gut ein Drittel der in den Startlisten stehenden Erstaufführungen an Köln vorbeigehen und erst Monate später oder gar nicht in Köln zu sehen sind. Je länger es aber dauert, bis ein Film nach dem Bundesstart hier in die Kinos kommt, des­to schwieriger ist es, noch Aufmerksamkeit für ihn zu erzeugen, da er in allen überregionalen Medien längst verhandelt wurde. Die Folge: weniger Zuschauer und weniger Bemühen der Verleiher um das Kölner Publikum, was wiederum weniger Zuschauer zur Folge hat. Eine fatale Spirale nach unten.

Köln gibt weniger als 0,01 Prozent seines Kulturhaushalts für Filmkultur aus

Köln droht, was die Kinokultur anbelangt, von der zweiten Liga in die dritte abzusteigen. Anfang November fand im Cinenova eine als »Premiere« angekündigte Veranstaltung für »Das Haus der schlafenden Schönen« von Vadim Glowna statt. Der Termin war ein Tag nach dem Bundesstart des Films, doch in Köln fand sich kein Kino, den Film regulär zu zeigen. Er startete stattdessen in Düsseldorf. Wenn sich Köln Medienstadt nennt, dann kann sie das nicht auf ihr Kinoprogramm beziehen.

Natürlich sind die Möglichkeiten der Stadt begrenzt, auf die Kinowirtschaft Einfluss zu nehmen, doch es fällt auf, dass die ­Kinoschließungen der letzten Jahre in Köln weniger damit zu tun hatten, dass das laufende Programm sich finanziell nicht getragen hätte. Das Problem ist, dass sich innerstädtische Immobilien lukrativer an Bekleidungsketten oder Möbelhäuser vermieten lassen, oder dass notwendige Renovierungsmaßnahmen nicht zu finanzieren sind. Daher wurde auf dem Kulturpolitischen Symposium gefordert, die Stadt solle in einer ihrer Immobilien einen geschützten Raum für Kinokultur schaffen.
Das wäre ein Signal, dass in Köln Filmkultur nicht mehr nur als Anhängsel der wirtschaftlich orientierten Medienpolitik gesehen wird, zumal beides eng zusammenhängt, wie der Produzent Gerhard Schmidt auf dem Symposium betonte: »Wenn die Filmkunst weg ist, geht auch die Wirtschaft.« Kreative wie der Schauspieler Daniel Brühl oder der Regisseur Hans Weingartner (»Die fetten Jahre sind vorbei«) haben es vorgemacht: Sie sind schon vor ein paar Jahren dem langen Treck der Kulturschaffenden Richtung Berlin gefolgt.