Im Deutschland der Adler

Das a.tonal.theater tut sich mit der Uraufführung von Kroetz’ »Trauerwütigen« keinen Gefallen

Das a.tonal.theater hat sich für »Die Trauerwütigen« als zweiten Teil seiner »Deutschlandtrilogie« entschieden, die 2005 mit Marc Beckers »Wir im Finale« ihren Auftakt nahm und der Gruppe immerhin den Kölner Theaterpreis bescherte. Der Text von Franz ­Xaver Kroetz bemüht sich sehr darum, »wild« zu sein: durchgehende Kleinschreibung, kein Personenregister und thematisch keinen heiklen Punkt im Zusammenhang mit deutscher »Vergangenheitsbewältigung« auslassend. Das Personal des Stücks besteht aus einer Ansammlung von Bundesadlern. Der Oberadler hat – eventuell – eine wichtige Aufgabe zu erfüllen: Er soll die Rede für den »herrn bundesdings« zur Einweihung des Holocaust-Mahnmals schreiben.

Vogelhaus light

Jeder der fünf weiteren anwesenden Vögel hat seine eigenen Prioritäten, was in einer solchen Rede gesagt werden müsste und wie. Es folgen allzu kalkuliert wirkende Provokationen. Kroetz verbindet Treblinka mit Armani, Welthunger mit »weltmarktmordwirtschaft«. Wenn’s wehtut, dann nur kurz, der Text drängt weiter, der Autor muss noch eins drauf setzen, ein anderes Thema einbringen. Die knappe 65-Minuten-Fassung von a.tonal-Regisseur Jörg Fürst entschleunigt die Inhalte auch nicht.
Der Raum der Studiobühne (Ausstattung: Christina Wachendorff, Jana Denhoven, Monika Odenthal) präsentiert sich als Vogelhaus light: Die Darsteller sitzen auf verschieden hoch gebauten blauen Plastikdrehstühlen inmitten eines schräg zum Zuschau­erraum gestellten Karrees, der Boden ist weiß bespritzt mit Vogelexkrementen, die im Lauf der Vorstellung mal von diesem, mal von jenem Adler aufgefrischt werden. Der Adler von heute trägt schwarz, Rollis mit aufgestick­tem gelbem Bundesadler-Emblem näm­­lich, dazu gelbe Gummistiefel und (zumindest im ersten Teil) wunderbare Pappmaché-Köpfe.

Stark insziniert

Die Stärken früherer Inszenierungen von Jörg Fürst finden sich durchaus: die genaue Lichtregie, ein ausgezeichnet aufeinander eingespieltes Ensemble oder ein bemerkenswerter Sinn für Humor. Wenn der Oberadler zum Schluss die angemessene Rede gefunden zu haben glaubt, indem er einfach nur zählt (es kommt nicht darauf an, wie weit er kommt, jede Zahl kann für Opfer stehen), erklingt nicht die vom Autor vorgesehene Nationalhymne, die Adler fallen nicht in den Schlaf der Nichtbetroffenen. Vielmehr blicken die Schauspieler ins Publikum, frontal, fragend.
Und der Zuschauer hofft, dass sich, prominenter Autorenname hin oder her, für Teil drei der Trilogie ein lohnenderes Stück findet.

»Die Trauerwütigen« von Franz Xaver Kroetz
R: Jörg Fürst, Studiobühne,
25.-28.1., 20 Uhr.