Watchdog

Morgenröte in der Fernsehwelt: Auch Telekoms, Kabelfirmen und Print-Medien bieten zunehmend Programm. Alles wird on demand zeitsouverän goutiert – von einem Nutzer, der macht, was er will, gerne auch bei einer Online-Community wie MySpace, die soviel Kanäle wie Nutzer hat, also rund 140 Mio. Dazu, publish or perish, sagt jeder in seinem eigenen Blog, was wirklich Sache ist, gerne auch per Video, what the fuck ist noch mal die Tagesschau? So ähnlich stehen die Weichen im Hier und Netz, eine bunt schillernde Konsumen­ten-Anarchie. Nur traditionelle TV-Sender müssen zusehen, wie sie diesen Kontrollverlust managen.

Zumal der WDR. Die Jugendmedien­studie JIM 2006 (www.mpfs.de) bringt es an den Tag: In der Liste der liebsten Fernsehprogramme kommt die ARD unter ferner liefen und der Kölner Sender gar nicht vor. Überhaupt: Der Fernseher ist zwar noch immer das meistgenutzte Medium, wird aber in der persönlichen Wichtigkeit der Jugendli­chen erstmals durch den Computer verdrängt. Und so herrscht hektische Betriebsamkeit: »Verjüngung jetzt!« haute der scheidende WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf zuletzt in einer programmatischen Rede raus und forderte, nein, kein Impro-Comedy-Format, das seinen Namen trägt, sondern erstmal ganz allgemein mehr Programminhalte für jüngere Zuschauer – auch auf Kosten der Gesamtquote.

Man ist nicht tatenlos rund um den Apellhofplatz: Ideenpool im hauseigenen Intranet, Workshops mit »jungen« Produzenten und gleich zwölf neue »junge« Formate, die im Sommer getestet wurden. Da­runter allerlei Skurriles wie eine angesexte »Spätausgabe« der Kindersendung »Wissen macht Ah« (»Ist onanieren schädlich?«). Ins Hauptprogramm schaffen es heuer »Der Große Finanzcheck« sowie eine Doku um zwei junge Reiterinnen, die das Ruhrgebiet durchqueren. Vielleicht doch ein bisschen wenig für die Wende. Aber hartnäckig verfolgt man die jungen Leute auch auf neue Plattformen: So sind auf der WDR-Webseite Radio- und TV-Sendungen auf Abruf oder im Live-Stream verfügbar. Der Laden wird jetzt weit aufgemacht; was geht, wird rausgestellt. Ein publizistisches Profil im Internet sieht freilich anders aus.

Auch im Radio wird kräftig erneuert. Nach dem Start des Webchannels 1LIVE Kunst hört sich im neuen Jahr auch Mutterprogramm 1LIVE, »das junge Radio des WDR«, laut Ankündigung »anders« an. Mit intensiveren Wortbeiträgen, profilier­teren Moderatoren und einer klaren Haltung will das, genau: junge Radio des WDR, die, man ahnt es, jungen Leute wieder stärker für das Medium begeistern. Spätestens im Pressetext gerät das zur Fixierung. Wir sind jung, jawoll, jung, jung, jung. Bei so viel Mantra keimt schnell der Verdacht: Die glauben da selber nicht dran, oder ihnen fällt nix ein. Wie das alles nun ankommt bei den JUNGEN, wird man sehen.

Bei soviel Jugend und Wandel gibt es aber doch auch ein wenig Konstanz im Jahr 2007. Der neue Medienstaatssekretär in NRW, Andreas Krautscheid, bleibt erst mal so unsichtbar wie sein Vorgänger, der im letzten Herbst geschasst wurde. Keine spürbaren Impulse, nirgends. Dies monierte zuletzt der Medienrat NRW, ein vom Landtag gewähltes Expertengremium. NRW-Medienpolitiker kündigten dann auch gleich eine Änderung des Landesmediengesetzes an, die den Medienrat abschafft. Das ist elegant, bringt aber nicht wirklich weiter. Aller Dynamik zum Trotz scheinen Medien in NRW derzeit nicht so wichtig. Vielleicht, so steht zu befürchten, ist das den Medien egal. Man sieht sich dann in Berlin oder München.