Califone

Mitte der 90er Jahre musste zeit­­ge­nössische Rockmusik aus den USA abdanken. Zuviel anderes, spannen­deres, innovativeres, glamouröseres war da unterwegs: ­Mi­ni­maltechno, Britpop, Postrock, Neodub, Drum‘n‘Bass. Ame­rika­ni­sche Indiebands, hemds­ärmelig, maulfaul, oft bärtig und fixiert auf E-Gitarren, waren den Connaisseuren der Inbegriff von Langeweile.

Nun ist es so, dass fast der gesamte – britische, us-amerikanische, deutsche – Rock-Ausstoß der letzten fünf Jahre genau das ist: langweilig. Gute Gelegenheit also, den Weg jener Bands zu verfolgen, die vor zehn Jahren für unwichtig erklärt wurden, die aber einfach weitergemacht haben. Red Red Meat ist so eine Band. In Europa kam sie nie über eine Fußnoten-Existenz hinaus. Eine Band aus Chicago, der Postrock- und Jazz-Metropole, die Mitte der 90er Jahre noch auf dem ollen Grunge-Label Sub Pop veröffentlichte und sich am Blues abarbeitete. Teuflisch ungroovy.

Red Red Meat haben sich 1998 aufgelöst – und gleich unter anderem Namen weitergemacht: Califone. Und alles, was bei Red Red Meat bloß angedeutet war, breiten sie in epischer Breite und auf mittlerweile über einem halben Dutzend Alben aus: unkonventionelle Arrangements, ins Unübersichtliche gehende ­Stu­diospielereien, ein hochartifizieller Mix der amerikanischen Blues-, Folk- und Singer/Songwriter-Tra­ditionen. Wobei man berücksichti­gen muss, dass Califone nicht für ei­nen Moment den staubigen Ha­bi­tus einer Blues-, Folk- oder Singer/Songwriter-Combo einnehmen. Wenn es für sie eine Vergleichsgröße gibt, dann muss man schon eine Band wie Wilco wählen.

Califone – das sind aktuell die Multinistrumentalisten Joe Adamik, Jim Becker, Ben Massarella, Brian Deck und Frontmann und Gitarrist Tim Rutili – spielen den Blues nicht als Ausdruck eines Heimatgefühls. Im Gegenteil: In ihren Händen klingt er entwurzelt, kosmisch entrückt, von Wert­konservatismen entschlackt (und dennoch nicht »modern«). Bleibt zu hoffen, dass sie die Konzertbühnen zu einem mobilen Studio umfunktionieren und ihrer Ex­perimentierlust keine Beschränkung auferlegen.

Info

Tonträger: Califone, »Roots & Crowns« (Thrill Jockey/Rough Trade), bereits ­erschienen

Konzert: Mo 12.2., Gebäude 9, 21 Uhr