Keine Sicherheiten, keine Kommunikation

Nach 26 Jahren endet die Ära des einst wichtigen

Musikmagazins Spex in Köln.

»Am Ende herrschte eine allgemeine Erschöpfung«, erzählt Wolfgang Frömberg, »eine gewisse Erleichterung, dass es jetzt vorbei ist.« Markus Hablizel sieht es ähnlich: »Irgendwann wollte ich das ganze Drama hinter mir lassen.« Frömberg und Hablizel sind bis zum 31. Dezember 2006 Redakteure des Musikmagazins Spex gewesen. Hinter ihnen liegt das über ein Jahr währende Tauziehen um den Umzug des Kölner Aushängeschildes des Popjour­na­lismus nach Berlin. Spex ist zwar nie eine auf Köln bezogene Zeitschrift gewesen. Aber dass in dem Magazin seit 1980 Schreibweisen über Musik – radikal subjektiv und von un­ge­pflegter Neugier – erprobt wurden, die den Pop- und Musik­journalismus noch heute prägen, hat Spex zu einem wichtigen Standortfaktor der Kulturstadt Köln gemacht.

Im Herbst 2005 konfrontierte der Ver­leger Alexander Lacher die Redaktion mit seinen Umzugsplänen. Es müsse rationalisiert werden, die erwarteten finanziellen Einbußen durch das absehbare Verbot der Tabakwerbung seien zu hoch. Lachers logistisches Problem: Der Verlag und seine Titel verteilen sich über drei Städte, München, Köln und Berlin. Mit dem Umzug von Spex nach Berlin soll sich die Verlagsstruktur verschlanken.

»Ich wollte das Drama hinter mir lassen«

Lacher ist Chef des Piranha Media Verlags, zu seinen Titeln zählen die Musikblätter Riddim, Juice und Groove, das Basketballmagazin Five und das King Magazin, die Kundenzeitschrift einer Fastfood-Kette. Spex hatte Lacher Anfang 2000 erworben und das damals noch unabhängige Blatt damit vor dem Ruin bewahrt. Frömberg: »Die Auflage wurde gesteigert und dann gehalten, bis zum Schluss sind die Abozahlen gestiegen. Der Verlag hat mit unserer Redaktion Erfolg gehabt. Lacher war eine zeitlang stolz: Er hat den Laden gekauft, wieder flott gemacht.« Der »alte Geist«, den er heute beschwört, sei ihm dabei herzlich egal gewesen.

»Es gab keinen Befürworter des Umzugs, wie der Verleger spä­ter kolportiert hat«, sagt Frömberg. »Es gab Redakteure, die sagten: Wenn der Verlag den Um­zug will, dann machen wir halt mit. Da hat die Sorge um den Arbeitsplatz die größte Rolle gespielt.« Den Anspruch, ein weiter­hin interessantes Heft zu machen, wollte die Redaktion aber zu keinem Zeitpunkt aufgeben, Frömberg betont: »Keiner von uns hatte Lust, in Berlin einen Haufen Mist zu verwalten. Die redaktionellen Vorschläge Lachers zielten darauf ab, dass er daraus finanzielle Vorteile schlägt. Dagegen haben wir uns verwahrt.«

»Keiner hatte Lust, einen Haufen Mist zu verwalten«

Eine unübersichtliche Situation entstand, denn die Redaktion – neben Frömberg und Hablizel waren das Tobias Thomas, Uwe Viehmann, Stephan Glietsch und Christian Glauer – war gespalten in eine kleinere Gruppe, die den Umzug mitgemacht hätte, dabei aber inhaltlich Ansprüche stellte, und eine größere, die den ganzen Vorgang in Frage stellte. So oder so, Verleger Lacher kam mit seiner Forderung nach einem reibungslosen Umzug nicht durch. Frömberg: »Er hat nicht damit gerechnet, dass es Widerstand gibt. Er hat schnell Drohgebärden eingenommen: Wenn keiner nach Berlin geht, gibt es keine Spex mehr. Der Verleger hat uns für den ­Um­zug immer neue Termine gesetzt, aber jede Diskussion um eine andere inhaltliche Konzep­tion verweigert.«

Markus Hablizel hätte sich den Umzug vorstellen können, arbeitete bereits an einem Relaunch: »Aber wir haben wochenlang keine Rückmeldung bekommen, wir brauchten ja irgendeine Sicherheit über Budgets.« Die Hinhaltetaktik zermürbte: »Ich weiß nicht, ob es Willkür war, im Sinne von: Ich bin hier der Herr, und ihr springt. Oder ob das aus strukturellen Gründen entstand. Wir hatten ein Kommunikations­problem, wir saßen in Köln, der Verleger in München. Ich denke, und ich meine das ganz nüchtern, dass es dem Verlag an einem Grundverständnis gemangelt hat, wie man so eine spezielles Magazin wie die Spex machen muss.«

»zu marktförmig, zu unkritisch«

Nachdem alle Anfragen und Kompromissvorschläge der Redaktion versandeten, präsentierte Lacher am 14. Dezember ein neu­es Redaktionsteam um Chefredak­teur Max Dax (bürgerlich: Maximilian Brauer). Die bisheri­gen Redakteure hatten ihre Kündigung schon im August erhalten. Mit der neuen Redaktion tritt eine Mannschaft an, die keinen Kontakt zur klassischen Spex-Tradition der 80er und 90er Jahre mehr hat. Der Großteil der alten Redaktion war an dem Heft schon zu Zeiten seiner Unabhängigkeit beteiligt.

An dem neuen, nun zweimonatlich erscheinenden Magazin will keiner von ihnen mitarbeiten. »Vieles, was man der Spex seit ihrem Verkauf an Piranha vorgewor­fen hat, stimmt sicherlich: dass sie zu marktförmig war, zu unkritisch gegenüber der Musikbranche«, resümiert Hablizel. »Und es stimmt auch nicht: Ich habe da jeden Tag gesessen, wir haben uns über unzählige Themen heftig gestritten. Unterm Strich haben wir mehr redaktionelle Freiheiten verteidigt als andere Magazine.«

Die zahlreichen Reaktionen der Feuilletons und ein offener Brief des Verlegers sind dokumentiert auf www.spex.de