Wege öffnen – oder verbauen

Endlich gibt es eine Regelung zum Bleiberecht für Migranten, die lange hier leben. Was die Kölner Verwaltung aber daraus macht, ist merkwürdig.

»Unsere grundsätzliche Zielrichtung ist es, so viele Bleiberechte wie möglich einzuräumen«, sagt der Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD). Er sagt es mit Nachdruck, doch es widerspricht ihm sowieso keiner. Denn eigentlich scheinen sich alle einig zu sein: die Parteien, die zuständi­gen Dezernenten, der Kölner Flüchtlingsrat und letztlich auch der Kämmerer der Stadt. Schließlich entlastet jeder Migrant, der nun ein Bleiberecht bekommt, die öffentlichen Kassen. Denn bleiben darf sowieso nur, wer für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommt, indem er arbeitet. Das sagt der Beschluss der Innenminis­ter­kon­ferenz (IMK), die die Bleibe­rechts­regelung im letzten Novem­ber verabschiedet hat.

»Gegen die Betroffenen«

Doch aller Einigkeit zum Trotz gibt es Streit und Verstimmungen. Ausgelöst werden sie durch die konkreten Maßnahmen, mit denen die Kölner Verwaltung die politischen Beschlüsse umsetzt. Der Stadtrat hatte am 14. Dezember, also rund einen Monat nach dem Beschluss der Innen­minister, ei­ne Resolution verabschiedet, in der er die Verwaltung auffordert, »die Regelung der IMK im Sinne der Geduldeten auszulegen«.

Dem aber komme die zuständige Behörde nicht nach, kritisiert Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats: »Die Ausländerbehörde nutzt ihre Handlungsspielräume nicht im Sinne der Betroffenen, sondern gegen sie.« Sein Vorwurf bezieht sich vor allem auf die so ge­nannte Integrationsvereinbarung und den Sprachtest. Letz­terer ist insofern unnötig, als dass der NRW-Erlass, der den Beschluss aufs Bundesland anwendet und für Köln maßgeblich ist, einen solchen Test nicht vorsieht. Der NRW-Erlass geht davon aus, dass Migranten, die länger als sechs Jahre in Deutschland leben – nur sie werden von den Re­ge­lungen begünstigt – und in der La­ge sind, ein alltägliches Gespräch in der Behörde zu füh­ren, des Deut­schen hinreichend mächtig sind.

Punkte für die Intonation

Außer Köln, so Prölß, führe keine andere nordrhein-west­fäli­sche Stadt einen solchen Sprachtest durch. In der hiesigen Be­hörde aber wurde eigens eine Germa­nistin mit der Ausarbeitung des aufwändigen Tests beauftragt, der auch syntaktische und morphologische Fähigkeiten bewertet – selbst für die Intona­tion bekommt man Punkte. Das könnte bei einem echt kölschen Sachbearbeiter durchaus kabarettistische Züge annehmen.

Auch die »Integrationsverein­barung« ist eine Kölner Eigenheit. Gegliedert in neun Paragra­phen und mit »Erfüllungsort und Gerichtsstand« abschließend, kommt das vierseitige Papier eher wie eine bürokratische Hürde daher denn wie eine Einladung zum Mitbürgersein. Aufgeführt werden allerlei Verpflichtungen, wie etwa der regelmäßige Schulbesuch der Kinder oder die Mitwirkung bei der Passbeschaffung, und Ausschlussgründe wie etwa Straffälligkeit.

»Ein bürokratisches Monster«

»Man hätte sich einfachere Regelungen ausdenken können«, kommentiert der sozialpolitische Sprecher der Kölner Grünen, Ossi Helling, das, was Prölß ein »bürokratisches Monster« nennt. Helling fordert nun eine »ausführliche Erörterung in der ausländerrechtlichen Beratungskom­mission« und die Korrektur in Details. Das teilt Susana dos Santos Herrmann (SPD), die grundsätzlich jedoch weniger Zweifel hegt. Weder Sprachtest noch Inte­grationsvereinbarung seien prin­zipiell schlecht, die entscheidende Frage hieße: »Will man damit Wege öffnen oder verbauen?«

Für Guido Kahlen ist die ­Ant­wort klar: »Wir wollen Wege öffnen. Die Integrationsverein­ba­rung ist richtig, weil sie uns zwingt, mit den Betroffenen zu kommunizieren. Sie soll Transparenz schaf­fen. Und wer beim Sprach­test ein Defizit aufweist, wird nicht weggeschickt, sondern bekommt eine Förderung.« Er sagt es mit Nachdruck, doch es würde ihm sowieso keiner wi­dersprechen.


Aktualisierung 19.03.2007
Die Stadt Köln hat inzwischen die umstrittene Integrationsvereinbarung und den Sprachtest zurückgezogen. Stattdessen gibt es nun ein Merkblatt zur Bleiberechtsregelung, das in sechs in Köln gängigsten Sprachen übersetzt ist. Es informiert Migranten über die derzeitige Rechtslage und ist sowohl in der Verwaltung als auch bei den Flüchtlingsberatungsstellen zu haben.




Der Beschluss der Innenminister

Die Innenministerkonferenz beschloss am 17. November 2006 nach zähem Ringen eine Bleiberechts­regelung. Deren Ziel ist es, ausreisepflichtigen ausländischen Staatsbürgern, die seit vielen Jahren meist mit einer »Duldung« hier leben, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Vorausgesetzt, sie sind in Deutschland »wirtschaftlich und sozial integriert«. Das wichtigste Kriterium dafür ist ein dauer­haftes Beschäftigungsverhältnis und ein ausreichendes Arbeitseinkommen. Das müssen die Antragsteller bis spätestens zum 30. September 2007 nachweisen. Weitere Kriterien sind: Die Migranten müssen sich seit mindestens sechs Jahren (Familien) bzw. acht Jahren (Einzelpersonen) ununterbrochen in Deutschland aufhalten. Sie müssen über ausreichenden Wohnraum und ausreichende Deutschkenntnisse ver­fügen – und: Sie dürfen nicht straffällig geworden sein. Der Beschluss wird heftig kritisiert, denn nur sehr wenige Migranten können die Bedingungen erfüllen und ein Bleiberecht erhalten.

Das Innenministerium NRW setzte den Beschluss am 11. Dezember um und wies die lokalen Ausländerbehörden an, die Bleiberechtsregelung entsprechend anzuwenden. Laut Auskunft der Auslän­derbehörde kommen 2100 Migran­ten in Köln für die neue Regelung in Betracht. Die Fälle werden derzeit geprüft.

Der Kölner Rat hat sich in seiner ­Resolution vom 14. Dezember auch an den Bundestag gewandt. Dieser wird aufgefordert, zügig eine liberalere Regelung zu verabschieden: »Insbesondere sollte hierbei die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zunächst auch ohne Beschäftigungsnachweis ermöglicht und eine zweijährige Frist zur Arbeitsaufnahme eingeräumt werden.«