Angriff der Räuchermännchen

Das Rauchverbot in der Gastronomie — wurde es etwa aufgehoben? Immer häufiger schmecken jetzt Essen und sogar Getränke nach Rauch. Nein, Tabakqualm ist es nicht, aber es wird nun einfach alles geräuchert! »Schmeck den Rauch« wirbt ein Kölner Pulled-Pork-Imbiss, ein Foodtruck fordert:


»...smoke it, love it!« Selbst Drinks sind vor Raucharoma nicht sicher. Natürlich gibt es Nuancen von Torfrauch im Whisky — aber die Bar eines Kölner Hotels kredenzt entsprechende Cocktail-Kreationen gleich unter der Rauchglocke. Gehobener Partyspaß für solvente Jungsrunden. 

 

Beim Kult um den Rauch geht es nicht um geschmackliche Raffinesse. Raucharomen und Geräuchertes versprechen vielmehr, dass es deftig, ehrlich, schnörkellos sei. Rauch ist das olfaktorische Branding hemdsärmeliger Kulinarik: Zupackende Virilität statt verzärtelter Aromen — eben diese Assoziationen ruft das Räuchern auf. Es ist die sensorische Konterrevolution der Räuchermännchen. Zurück in die Zeiten, als der Mensch entdeckte, dass manche Nahrung länger haltbar wird, wenn sie im Rauch hängt: Schinken, Würste, Speck, aber auch Lachs und gesalzene Heringe oder Makrelen. Freilich diente dieses Räuchern bei Zimmertemperatur , meist über dem Küchenofen, nie vorrangig dazu, Speisen zu aromatisieren. Dazu nutzte man vielmehr das Räuchern in Öfen mit Temperaturen bis an die 100 Grad Celsius. Lange aufbewahren kann man derartige Räucherwaren dann aber gar nicht. Aal, Forelle, Makrele oder Hering, der so zum Bückling wird — das sind robuste Fische, die diese Prozedur vertragen. Doch deren ohnehin vages Aroma wird über dem Feuer des Buchenholzes getilgt und ersetzt: Es entsteht ein anderes Lebensmittel. Auch Vegetarier, die des ewigen Tofus und Seitan überdrüssig sind, greifen zu geräucherten Varianten — besser schmeckt das Zeug nicht, bloß deutlicher, kräftiger. Wenn das so weitergeht, werden bald Buletten, vegane wie echte, in Grillkohle-Schlacke mariniert. 

 

Es ist Zeit, die gesundheitspädagogische Mahnung der Ortskrankenkassen aus den 90er Jahren kulinarisch umzudeuten: »Ohne Rauch geht’s auch«. Statt der Order »Schmeck den Rauch« zu folgen, würde man lieber den Eigengeschmack der Zutaten spüren. Das aber gelingt nur mit Sorgfalt, nicht mit breitbeinigem Küchen-Rock’n’Roll.