»Man kommt hin, schaltet das Hirn aus und macht einfach«

Danilo Plessow und Marcus Worgull haben sich drei Jahre nach ihrem Debüt »Vermont« wieder zusammengefunden, um mit »II« von ihrem DJ-Alltag runterzukommen

 

Und plötzlich ist Ruhe. Jürgen Paape, einer der vier Inhaber von Kompakt und für den Plattenladen des Kölner Techno-Imperiums zuständig, hat sich von Danilo Plessow zu einer kurzen Pause beim Abhören der Neuzugänge überreden lassen. Schließlich wollen wir uns die Fragen und Antworten in der Sitzecke des Ladens nicht zuschreien, sondern uns in aller Ruhe bei Tee und Gebäck über das neue Album von Marcus Worgull und Plessow unterhalten. »II« erscheint, wie schon das Debüt, auf Kompakt. Bevor wir mit dem Interview beginnen, berichtet Plessow noch vom Warehouse Project Festival, wo er am Wochenende noch gespielt hat, sowie seiner neuen Wahlheimat Paris und deren tollen Plattenläden, die ihn mehr Platten denn je kaufen lassen. 

 

Paris ist ein gutes Stichwort, um hin zu Vermont, seiner Entwicklungsgeschichte und den Arbeitsbedingungen des Projekts zu leiten. Was als Kölner Affäre begann, ist mittlerweile eine Pendelbeziehung zwischen der Seine und dem Rhein. »Wir kannten uns bereits flüchtig, bevor Danilo nach Köln gezogen ist«, erinnert sich Marcus Worgull. »Er schaute damals öfters im Groove-Attack-Plattenladen vorbei, und irgendwann trafen wir uns in seinem Studio und jammten nach ein paar Bier rum. Es gab aber nicht die Idee, die daraus resultierenden House-Tracks wirklich zu veröffentlichen — bis wir an einem Montagabend keinen Bock auf Drumcomputer hatten und sie nicht anschlossen.«

 

Gleich drei der Stücke, die in dieser Nacht produziert wurden, sollten es auf »Vermont« schaffen und somit den Kurs vorgeben: »Musik ohne Beats, die Spaß macht«. Danilo Plessow betont, wie elementar es für das Projekt sei, dass es »im Gegensatz zu unseren Solokarrieren keinen Druck gibt: Kein Hinterfragen, keine Strukturen — und vor allem keine Deadlines! Es war wie Yoga: Man kommt hin, schaltet das Hirn aus und macht einfach.«

 

In der Tat, die Musik von Vermont ist zunächst: tiefenentspannt. Sie fordert die Hörer nicht heraus, sondern schenkt ihnen einen Ort zum Runterkommen. Ein gemeinsames Bedürfnis von Danilo Plessow und Marcus Worgull: Denn so unter-schiedlich die Soundkosmen sind, die die beiden seit 15 Jahren bespielen (Plessow verspielt und von Soul, Jazz und Funk beeinflusst, Worgul deep im besten Deep-House-Verständnis), so gemein ist ihnen doch ein gewisses Maß an Erschöpfung. Wenn Worgull davon spricht »total fertig zu sein«, dann nimmt man dies zwar kurz als kokette Übertreibung wahr, stellt jedoch schnell fest, dass er es bitterernst meint. »Es geht bei Vermont nur darum, dass sich die Musik angenehm anfühlt«, fügt er zur Untermauerung hinzu. »Auch wenn es mal Stücke gibt, die knirschen und nerven, das ist es nicht, was wir suchen, uns geht es um die Oase.« Dass deren Erschaffung Hingabe erfordert, betont Danilo Plessow: »Wir nehmen uns viel Zeit für Vermont. Es fühlt sich wie eine Kur an. Das gibt dem ganzen die Seele.« Flachsend werfen sie ein, man könne sich ja überlegen, ausgehend von Vermont eine Yoga-Partei zu gründen. Plessow erzählt, dass es Leute aus ihrem Umfeld gebe, die sie -fragen, was das alle solle. »Aber für mich ist es viel wichtiger, dass ich mit der anderen Person im Studio etwas an-fangen kann, als dass sich Vermont stimmig zu unseren DJ-Sets verhält und pro-filmäßig cool aussieht.« 

 

Dass auf »Vermont« nun das zweite Album folgt, hat sich entsprechend natürlich ergeben. Zu--nächst seien sie überrascht gewe-sen über die weltweit posi-tiven Reak-tionen, merken Danilo Plessow und Marcus Worgull an, und dann hätten sie gewartet, bis die Lust wieder gekommen sei — das scharrende Bedürfnis nach einer Ruhe abseits des Dancefloors. »Für Vermont benutzen wir gewisse Synthe-sizer auf eine Art, die sich sehr intui-tiv anfühlt, so dass wir nicht lange suchen müssen, sondern die Sounds fast schon automatisch zu uns kom-men«, führt Plessow aus. »So ein Synthe-sizer wie der ARP-Odyssey hat einen Grundklang, der extrem gut und extrem musikalisch ist, das ist nicht wie bei den Modu-lar-sys-te-men, wo man stundenlang rumbasteln muss, bevor das gut klingt. Es geht um Spontanität, Loskommen vom endlosen Nachdenken.«

 

Doch auch wenn das Set-up auf beiden Alben dasselbe ist, fällt auf dem neuen Album die andere Temperierung auf. »Ach ja?«, kontert Wor-gull provokativ, doch Plessow versteht sofort, was ich meine: »Man könnte, wenn man es bös-artig sagen will, sagen, dass die zweite Platte weniger spannend da weniger ex--pe-rimentell ausgefallen ist. Aber ich empfinde sie im posi-tiven Sinne als homogener, von wegen that’s the mood — und dann gibt es zehn Varia-tio-nen davon. Es ist Wohlfühlmusik.«

 

Eine Art Tiefenentspannung, die ihre Produzenten im warmen Schlamm von Kosmischer Musik und Krautrock verorten. Es fallen Namen wie Cluster, Harmonia und Brian Eno. Doch so sehr Vermont Ambient ist, so  prägnant sind auch die Soul- und Funk-Schwin-gungen der neuen Stücke. »Klar, wenn man eine Fender -Rhodes benutzt, dann nimmt es sofort diesen Charakter an«, meint Plessow und freut sich durchaus über die Zuschreibungen, schließlich seien diese Genres »sein The-ma«. Und doch fügt er hinzu, dürfe man nie vergessen, dass die Grundharmo-nien bei Vermont zumeist von Marcus Worgull kommen und »im positiven Sinne simpel gehalten« seien, wohingegen er selbst zum »Verkopfen neige und fiese Jazzakkorde« schichtet. Marcus hingegen »hat dieses deutsche Ding: sehr strukturiert, minimal und trancey, so dass man die Musik endlos hören kann«.