Musik aus dem Netz

Es war nicht schwer, das Album »Voyage« der Stuttgarter Cebra im vergangenen Jahr zu verpassen. Bei ByteFM habe ich sie gehört — und sonst nirgendwo.

 

Ihr lest hier selten überschwäng-liches Lob, doch dieses Konzept-album ist definitiv einer meiner Favoriten des vergangenen Jahres 2016. Erschienen lediglich im Netz (Apple Music, Spotify, Amazon, you name it ...) und auf Cassette wirkt es fast so, als spreche man gezielt Liebhaber des Analogen an, ohne dabei auf die üblichen Online-Musikdienste zu verzichten. Nebenbei rufen Cebra dem Hype um überteuertes Vinyl so ein gepflegtes »Ihr könnt uns mal« zu. 

 

Überhaupt ist Analog das Stichwort: Christoph Szeteli und Klemens Rack machen exzessiven Gebrauch von Vintagegeräten, die sie im Stuttgarter Beletage-Studio, wo einer der beiden arbeitet, vorf-an-den. Oszillierende Gitarren-effekte, warm klingende Analog-synthe-sizer, Orgel, Mellotron und geschichtete, oft chorische Gesangsspuren formen ihre Musik. Viel zu einfach und gleichsam unpassend wäre es, hier von Psychedelic-Rock oder gar Dream-Pop zu sprechen, denn: Wo Beach House & Co. zu dick auftragen, bekommen Cebra stets klar die Kurve. 

 

Bei der Produktion des Albums war Stringenz Tugend Nr. 1: Um die dem Konzeptalbum zugrundeliegende — und absolut klischeefreie — Reise von Nord nach Süd abzu-bilden, wurde nicht wahllos in die Plugin-Kiste gegriffen, das Gegenteil ist der Fall. Die Auswahl echter Instrumente und Effekte ist wohldosiert, Klangfarben werden beibehalten oder kehren wieder, der Gesang trägt. Fürs Schlagzeug konnten die beiden Musiker Niko Lazarakopoulos gewinnen — er spielte früher bei den ebenso lediglich als Geheimtipp bekannten Ma Cherie for Painting und Trikorder 23. Auf cebraband.com gibt’s nicht nur das Tape mit schmucken, handgestalteten Cover und Downloadcode für zwölf Euro (inklusive Porto), sondern auch ein tolles Video des KHM-Absolventen Moritz Reichartz zur (gefühlten) Single »Cold Ice«. 

 

Außerdem: Für all diejenigen unter euch, die noch immer an weih-nachtlicher Übersättigung leiden, hat Adult Swim, der Nachtsender des Cartoon Network, noch eine schickes, schlicht »Noise« betitelte Compilation zu verschenken, die es in sich hat: Vom japanischen Noisepionier Merzbow über den krachigen, experimentellen Hiphop von Clipping aus Kalifornien bis zu Melt Banana oder Arca ist alles dabei, was man zum Entschlacken braucht. Einzelne Tracks machen sich super auf Mixen — wer es aber schafft, das Album durchzuhören, wird von mir zum Kölschtrinken eingeladen (Mail an die Redaktion genügt).

 

Übrigens: Skurrile und richtig gute Musik zu fördern und umsonst zum Download anzubieten, scheint den Cartoon Network-Machern bzw. Adult Swim und dem assoziierten Label Williams Street Records ein Anliegen zu sein. Das fing bereits in den 90er Jahren mit schrillen Performances von Bands wie den damals jungen Pavement an und geht bis heute so: 

 

adultswim.com/music