Foto: Dörthe Boxberg

»Integration gelingt uns nicht aus der Turnhalle heraus«

Harald Rau ist der neue Dezernent für Soziales, Integration, Umwelt und Gesundheit. Der Quereinsteiger möchte die Verwaltungsreform vorantreiben, Stickoxide ein­dämmen und die Drogenpolitik neu ausrichten. Außerdem erzählt er, warum er bei Demos selten vorne mit dabei war

Herr Rau, Sie hatten noch nie in einer Verwaltung gearbeitet. Wie sind Sie der neue Sozialdezernent der Stadt Köln geworden?

 


Ich bin per Zufall auf die Ausschreibung gestoßen. Ich war nicht auf der Suche, hatte mich auch vorher nie um Verwaltungsposten bemüht. Elektrisiert hat mich aber die Kombination: Köln plus Soziales und Umwelt. Allerdings habe ich mir als parteiloser Quereinsteiger zunächst wenig Chancen ausgerechnet. 

 

 

Wie gut war Ihnen das politische Köln vorher bekannt?

 

Wenig. Ein Anreiz aber war für mich der Wunsch der Oberbürgermeisterin nach einem neuen Politikstil, der die Sachorientierung ins Zentrum stellt und weniger den Klüngel.

 

 

Dazu passt, dass Sie selbst parteilos sind. Aber Sie stehen den Grünen nahe, richtig?

 

Ich bin auf dem Ticket der Grünen hierhergekommen. Und ja, von meinem Denken stehe ich ihren Ideen nahe. Ich suche intelligente Lösungen — und da erscheinen mir die Grünen, gerade in Köln, als eine sehr interessante Partei. Aber ich habe mich nie an eine Partei knüpfen wollen.

 

 

Was hat Sie politisch sozialisiert?

 

In meine Jugend fiel der Nato-Doppelbeschluss. Ich war ein Kind der Anti-Atomkraft-Bewegung. Ich habe damals gegen die Nachrüstung demonstriert. Freunde von mir sind in den Knast gegangen, ich war nicht ganz so mutig (lacht). Damals gab es noch den Radikalenerlass: Wenn es eine Demo gab, konnte man geheimdienstlich erfasst und nicht in den Staatsdienst übernommen werden.

 

 

Aber jetzt: Sozialdezernent.

 

Und Umwelt-, Integrations-, Gesundheitsdezernent.

 

 

Viele der Themen sind zudem neu für Sie. Wie gehen Sie damit um?

 

Ich verstehe mich als Verwaltungsgeneralisten. Ein Umwelt- oder Gesundheitsamt ist ja nicht dann am wirksamsten, wenn ich zwingend der finale Experte bin und sage: Macht Aktion A, B und C. Sondern dann, wenn ich Rahmenbedingungen schaffe, die Ämter in Wirksamkeit bringen. Da kommt mir meine Kompetenz als Führungskraft in einem Unternehmen entgegen.

 

 

Wo werden Sie inhaltlich Prioritäten setzen?

 

Mein oberstes Bild ist das einer inklusiven Stadtgesellschaft, in der wir uns in unserer Vielfalt wertvoll erleben. Und eines meiner großen Themen ist dabei natürlich, Flüchtlinge nicht nur zu integrieren, sondern zu einem sichtbaren und wertvollen Teil unserer Stadtgesellschaft zu machen.

 

 

Das ist sicherlich ein ehrenwertes Prinzip. Aber wie möchten Sie das konkret umsetzen?

 

Das hat ja längst begonnen — und ist nicht mein persönlicher Verdienst. Die Stadt hat innerhalb von eineinhalb Jahren 12.000 Menschen in Sicherheit gebracht. Niemand wird nass, niemand muss frieren.

 

 

Untergebracht sind sie in Turnhallen — nicht unbedingt die Ideallösung.

 

Nein, aber sie sind besser als Zelte. Wir haben auch schon viele Menschen aus Turnhallen bringen können. Da sind wir noch lange nicht am Ziel. Der nächste Schritt muss Integration sein. Die gelingt aber nicht aus der Halle heraus. Dafür brauchen wir andere Settings. Dass der Teufel im Detail steckt, weiß ich aber sehr wohl. Ich kenne Unterkünfte und die Menschen dort. Ich kenne das Elend und die Mängel. Und trotzdem sind wir zuversichtlich, dass wir den Menschen eine Annäherung an ein gutes Leben ermöglichen. Dass das aber nicht von Null auf Hundert passieren kann, ist auch klar.

 

 

Gibt es dafür trotzdem einen konkreten Fahrplan?

 

Wir haben vor, am Ende des Jahres keine Turnhallen mehr zu belegen. Aber verändern sich zum Beispiel die Zahlen, weil sich die Lage in der Türkei oder Syrien anders darstellt, arbeiten wir wieder unter anderen Voraussetzungen. Aber wir sind ehrgeizig. Ich leite eine Task-Force, die sich ämter- und dezernatsübergreifend jede Woche trifft. Meine Mitarbeiter brennen dafür, dass wir möglichst schnell gute Unterkünfte für die Menschen in Not schaffen.

 

 

Welche Ziele verfolgen Sie darüber hinaus?

 

Sie sind auch zuständig für den Bereich Umwelt — und damit auch für die Feinstaubbelastung. Ich habe einen Runden Tisch zur Frage der Stickoxide gegründet. Zusammen mit der Bezirksregierung werden wir Handlungsempfehlungen formulieren, um die Grenzwerte zu erreichen. Auch das wird ein längerer Weg. Ich unterteile in Sofortmaßnahmen, in einen Drei-Jahres- und in einen 15-Jahres-Zeitraum. 

 

 

Wie sehen die Sofortmaßnahmen aus?

 

Das ist ein Katalog mit vielen Punkten: verkehrsbeeinflussende Maßnahmen für flüssigeren Verkehr, grüne Maßnahmen, die Elektrifizierung der Busflotten bis hin zu Taxen. Es gibt Landesprogramme, die mit erheblichen Mitteln fördern, dass die Innenstädte schadstofffreier werden. Die beinhalten solche Angebote. Da loten wir aus, was möglich ist.

 

 

Wie steht es um ein Diesel-Fahrverbot?

 

Ich rede erst mal von Fahreinschränkungen. Wenn wir irgendwann ein Fahrverbot bräuchten, können wir das nicht von jetzt auf nachher umsetzen. Wir brauchen Möglichkeiten, dass sich Logistik, Mittelstand, aber auch Privatpersonen darauf einstellen.

 

 

Ein weiteres Thema ist der Bereich Gesundheit.

 

Da gibt es gewissermaßen eine Doppelfunktion: Gesundheit überhaupt in Köln, aber auch die Verantwortung für die eigenen Kliniken. Die städtischen Kliniken haben große Stärken, aber auch wirtschaftliche Nöte. Ich bin gerade dabei, zu verstehen, wie unsere Gesundheitsversorgung funktioniert. Und ich will die Frage stellen, wo dort Entwicklungsmöglichkeiten liegen. Da ist durchaus Dringlichkeit geboten: Köln hat den Anspruch, eine Gesundheits-region zu sein. Wir haben eine namhafte Medizin. Diese Medizin möchte ich als Markenzeichen Kölns weiter-ent-wickeln. Zudem gibt es Bestrebungen meinerseits, das Drogenkonzept der Stadt neu aufzusetzen. Da befinden wir uns aber noch in der Phase der Analyse.

 

 

Es gibt im Kooperationsvertrag zwischen CDU und Grünen im Rat der Stadt Vorüberlegungen, Ämter aus Ihrem Dezernat auszugliedern. Wie stehen Sie dazu?

 

Das ist letztlich eine Frage der Politik. Ich habe aber Gefallen am Zuschnitt des Dezernats gefunden. Ich glaube auch, dass sich die Themen gut ergänzen. Überall, wo ich gefragt bin, äußere ich das Interesse, dass das so weitergeführt wird.

 

 

Was sind die Ziele, an denen Sie sich messen lassen möchten? In allen meinen Betätigungsfeldern gibt es konkrete Nah- und Fernziele. Mein Gesamtziel wird es aber auch sein, dass es am Ende meiner Amtszeit ein paar große Projekte unter meiner Verantwortung gegeben haben wird und dass wir in Köln sagen können: Da haben wir Großartiges geleistet.