Was alles passieren kann

Ist das noch Jazz? Das Gipfeltreffen Brönner/Quasthoff

Der Bassbariton Thomas Quast­­hoff ist ein stimmliches Schwer­ge­wicht. Ein Klassik­-Welt­star, des­sen Kunst sich aus musi­ka­li­schem Kön­nen und, so scheint es, zeitweilig schier selbstver­ges­sener Em­pathie speist. Ein Su­perstar, der aber als einer von ver­schwin­dend wenigen dieser Auszeichnung tatsächlich gerecht wird. Die­ser Mann hat nun sein erstes Jazz­album vorgelegt: »Watch What Hap­pens«.

Perfekt produziert hat das Hochglanzwerk Till Brönner, der amtierende Deutsche Meister im Mainstreamjazz, mit Ambition auch auf internationale Titel. Die aufwendigen, stylishen Arrangements für große Besetzung – unter anderem dabei: Brönner himself, Peter Erskine (Schlagzeug) und Die­ter Ilg (Bass) – stammen von Alan Broadbent (Piano), seines Zei­chens Mitglied in Charlie Hadens Quartet West, und der Arrangeurin Nan Schwartz, die auch das bei den Balladen effektvoll eingesetzte Deutsche Sinfonie-Orchester Berlin leitet.

Die große Affinität zum Jazz

Den ihm gebührenden Ruhm hat sich Quasthoff unter an­derem mit äußerst beeindruckenden Interpretationen von Gustav Mahlers »Des Knaben Wunderhorn«, Benjamin Brittens »War Requiem« oder Schubert-Liedern ersungen. Allesamt wunderschöne, extrem komplexe Werke, die hart er­arbeitet werden müssen, und die, wenn mehr oder weniger »runtergesungen«, schwer erträglich sind.

Bei Thomas Quasthoff spürt man tatsächlich eine große Affinität zum Jazz. Gleiches gilt auch für die Sopranistin Kiri Te Kanawa, die Anfang der 90er Jahre mit André Previn – seines Zeichens Leiter des Royal Philharmonic Or­chestra, aber auch ernst zu nehmen­der Jazzpianist – ein schönes Jazz­album eingesungen hat (»Kiri Side Tracks«). Quasthoff setzt sich mit seinem Gesang aber noch deutli­cher als sie vom klassischen Klang­ideal ab, und sein Swing ist beachtlich.

Kein klassisches Knödeln

Andere Sänger mit großen Namen haben sich beim ambitionierten Streifzug im so genann­ten populären Sektor künstlerisch verhoben, wie José Carre­ras oder Peter Hofmann, die sich in den ihnen offensichtlich fremden Gefilden – Musical und Rock – nicht gut zurechtfanden. Gegenüber stimmlich verbildeten Tenören ist Quasthoff klar im Vorteil. Er kann auch anders als klassisch knödeln, er singt ungekünstelt schön – und jazzy. Und das bei einem erstaunlich großen Stimmumfang. Manch­mal überbetont er das englische Idiom etwas, aber das tut der Sache an sich keinen Abbruch. Als besonderen Leckerbissen für den deutschsprachigen Raum gibt es die CD-Edition mit dem wunderbar swingenden »Eins und Eins, das macht Zwei« als Bonustrack, bei dem Quasthoff zur Höchstform aufläuft. Thomas Quasthoff ist kein Johnny Hartman, der einst mit John Coltrane ein sensationelles Album einsang. Doch damit können Quasthoff und sein Publikum leben.

Tonträger: Thomas Quasthoff, »Watch What Happens« (Deutsche Grammophon/Universal), erscheint am 2.3.

Konzert: Sa 17.3., Philharmonie, 20 Uhr