Ordnung und Aberwitz

»Deutscher Ritualismus«? Die Galerie Philipp von Rosen zeigt ihn uns

Ritualismus klingt nach Zwangsstörung, »Deutscher Ritualismus« nach einer unbekannten Kunstrichtung. Für ihre Entdeckung ist Ignacio Uriarte zu danken, der als Kurator der gleichnamigen Ausstellung in der Philipp von Rosen Galerie dieses Phänomen dingfest macht. Ein homogenes Erscheinungsbild weist der Deutsche Ritualismus nicht auf. Als dessen prägende Aspekte lassen sich bei dieser schlüssigen Auswahl aber doch Vertrauen ins Vertraute, Wiederholungsfreude, Ordnungsliebe und Beständigkeitshoffnung erkennen. Was mit ihnen beginnt, muss nicht harmlos bleiben, und so kann das zunächst freundlich-biedere Alltagseinerlei ins Seltsame, Bedenkliche, leicht Unheimliche, Zwangsläufige verrutschen. 

 

Musterhaft, detailfreudig belegt Corinna Schnitts zeitlos schönes Authentizitätsimitationsvideo »Zwischen vier und sechs«, was Deutscher Ritualismus sein kann. Zu einer ruhigen Kamerafahrt durch eine wohlgeordnete Einfamilienhaussiedlung berichtet eine weibliche Stimme von ihrer ebenso wohlgeordneten 70er-Jahre-Kindheit,  jetzt reinige sie an einem Sonntag im Monat gemeinsam mit ihren Eltern vorschriftsmäßig Verkehrsschilder in diesem Viertel. Die Bilder zeigen wie sich die familiäre Putzgemeinschaft routiniert auf den verkehrsregelgerechten Weg und ans Werk macht. Natürlich wird der Sonntag mit Kaffee und Kuchen beschlossen. 

 

Dieser Einzelfalldarstellung steht die Objektivität des Archivs gegenüber, mit der Peter Piller arbeitet, indem er Alltagsordnungsbilder arrangiert. »In Löcher blicken« heißt eine Bildergruppe, die sich aus dem Schaffen zahlreicher Lokalzeitungsfotografen speist und diverse Varianten des Motivs »Menschengruppe vor geöffneten Abwasserkanalanlagen« versammelt. Eine andere Auswahl ist dem Rasenmähen vor Eigenheimen gewidmet. Den Umschlag des doppelten Pillerschen Ordnungssinns ins Aberwitzige dokumentiert eine fünfteilige »Wahnzimmer«-Sequenz von Anna und Berhard Blume: Die Einrichtung rebelliert, der Raum rotiert. 

 

Akustisch grundiert werden diese und andere Anblicke von Joseph Beuys lamentös-grundsätzlicher Daseinsbetrachtung »Ja ja ja ja Ne ne ne ne«, der minimalistischen Hymne des Deutschen Ritualismus. Der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass mit Christian Jankowski, Jochen Lempert, Hans-Peter Feldmann, Peter Dreher und Karin Sander weitere Vertreter des Deutschen Ritualismus zu sehen sind.

 

 

Philipp von Rosen Galerie, Aachener Straße 65, Di–Fr 11–18, Sa 12–17 Uhr, bis 25.3.