Im roten Bereich

Noch kurz ein Appetithemmer zur Fastenzeit: Etwa jeder fünfte gastronomische Betrieb wird in NRW bei Lebensmittelkontrollen beanstandet, eine über Jahre konstante Quote. Überprüfungen sind selten, die Strafen lasch — eine Einladung, hygienische Standards zu unterlaufen. Zumal: Wie sollen Gäste, die an Übelkeit leiden, nachweisen, dass es das Krüstchen-Goulasch oder der Rohkostsalat waren?

 

Nun haben im Landtag SPD, Grüne und Piratenpartei eine »Hygiene-Ampel« beschlossen: Grün bedeutet, dass der Betrieb hygienisch arbeitet, alles okay, wohl bekomms. Aber bei Gelb stimmt nicht alles, und bei Rot war es richtig ekelig. Demnächst müssen diese Resultate am Eingang aushängen und werden im Internet veröffentlicht.

 

CDU und FDP befürchten einen »Hygiene-Pranger«. Dabei können beanstandete Betriebe innerhalb von sechs Wochen eine erneute Prüfung beantragen. Und wo Shitstorms zur Großwetterlage gehören, sind transparente amtliche Kontrollergebnisse eher ein Schutz vor übler Nachrede, wie sie auf Gastro-Portalen grassiert. Man kann das Gesetz im Detail kritisieren,  etwa die Dokumentationspflicht der Gastronomen, aber es ist richtig. Die Hygiene-Ampel benachteiligt niemanden, sondern stärkt die, die sauber arbeiten. Es ist ein berechtigter Wettbewerbsvorteil.

 

Die Debatte lässt tief blicken: Hygiene wird als spießiger Putzfimmel abgetan. Die Kenntnisse über Lebensmittelhygiene und die Verbreitung von Erregern sind miserabel. Untersuchungen zeigen, dass sich die wenigsten Menschen die Hände richtig waschen — falls sie es überhaupt tun. Das Thema ist tabu. Auch als Kunde will man gar nicht so genau die Biografie des Thekenlappens kennen oder wissen, wie es in Milchschläuchen von Kaffeemaschinen ausschaut. Und wann wurde zuletzt der Kühlschrank gereinigt? Mehr als elf Millionen Erreger hat man dort schon gezählt. Solange eine harmlose Grippe und nichts vom Kaliber EHEC im Anmarsch ist, kommen robuste Naturen glimpflich davon. Doch Essen sollte auch appetitlich sein,  nicht erst auf dem Teller. Auch das bedeutet Wertschätzung von Lebensmitteln — und Gästen. Warum aber lehnt der Verband der Lebensmittelkontrolleure die Hygiene-Ampel ab? Zu wenig Personal für mehr und flächendeckende Kontrollen, heißt es. Für Gastwirte ohne Skrupel, aber mit Gammelfleisch, ist das eine beruhigende Nachricht. Wir Gäste müssen also doch bis auf weiteres hoffen, dass sich unsere Einschätzung des Gastraums mit den Zuständen in der Küche deckt.