Matthäus 2727

»Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist«, diesen berühmten Satz von David Ben Gurion, dem ersten Ministerpräsident Israels, zitierte vor 15 Jahren der damalige Bundespräsident Johannes Rau in seiner Heimatstadt Wuppertal, als er beim Festakt anlässlich der Städtepartnerschaft mit dem israelischen Beer Sheva sprach.

 

Dass Glauben realistisch sein kann, passt zu dem großen Kunstprojekt »Matthäus 2727«, das anlässlich des Jubiläums, vierzig Jahre Partnerschaft, gestemmt wird: Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion wird mit Orchester, Chor und Tänzern aufgeführt. Die Idee hatte Wolfgang Kläsener, der Leiter der renommierten Kantorei Barmen-Gemarke, der auch schon Mendelssohn binational in Israel aufgeführt hat. Das Orchester kommt diesmal aus Leverkusen, das von Werner Ehrhardt geleitete l’arte del mondo; die 14-köpfige Kamea Dance Company ist beheimatet in Beer Sheva. Ihr Chefchoreograph Tamir Ginz brachte die Musikerkollegen auf die Idee, die ehrwürdige Passion auf 75 Minuten zu kürzen und ihr Ende an den Anfang zu setzen: für einen Rückblick, aber auf die Zukunft.

 

Deshalb die Jahreszahl »2727«, 1000 Jahre nach der Uraufführung 1727. Laut Ginz’ Konzept sollen die Tänzer das Leben nach einer Katastrophe verkörpern, die Suche nach einer neuen Ordnung, nach Liebe, Geborgenheit und Glaube. Auch in seinem Tanzstück zu Carl Orffs »Carmina Burana« und in »Neverland« hatte Ginz mit seinem zunehmend mutigeren, weniger ballett-orientierten Tanzstil Bögen von einer nachhallenden Vergangenheit in eine angebliche Zukunft gezogen. Darin lässt er die Tänzer schonungslos herumwirbeln und wirft sie herum, ohne sie je ganz vom menschlichen Beharren auf Hoffnung abschneiden zu können, ihren Wurzeln im Himmel. Denn was heißt schon Zukunft?

 

Es ist die Gegenwart, nur der Gewohnheit entkleidet. So wird nun der alte Bach in die Wüste geschickt: In Beer Sheva am Rande der Negev hatte der noch ältere Abraham nach einem Streit um einen Brunnen einen Vertrag geschlossen. Daran knüpfte Johannes Rau wiederum seinen Friedens-appell. Er ist leider ak-tueller denn je.

 

 

30. (UA), 31.3. (19.30 Uhr), Leverkusen, Bayer-Erholungshaus, 2.4. (18 Uhr), Oper Wuppertal