Kontemplatives Abdriften

Wir wollen Plankton sein will eine Hommage an die Passivität sein und scheitert

In einer Welt, in der sich das Subjekt vor allem durch sein autonomes Handeln definiert, fristet die Passivität eine Existenz am Rande. Doch seit einiger Zeit wird die lustvolle Hingabe zum Nichtstun als Widerstandsform wiederentdeckt: Passivität als Antwort auf die Ideale der »Aktivgesellschaft«, Müßiggang versus Eigeninitiative, Flexibilität und Kreativität. Julian Pörksen, Autor und früherer Assistent von Christioph Schlingensief, katapultiert sich in das Zentrum dieser neu aufgelegten philosophischen Debatte. Am 11. März ist sein Stück »Wir wollen Plankton sein« in der Außenspielstätte des Kölner Schauspiels uraufgeführt worden.

 

Es ist ein Plädoyer für die Unterbrechung und die Verlangsamung– kurzum: für die vita contemplativa, die gerade nicht das Nichts-Tun zum Selbstzweck meint, sondern all das, was einem währenddessen passiert. Auf der Bühne präsentiert sich diese schöpferische Langeweile als Dreigespann eines exaltierten Wandertheaters. Da sind die alternde Diva Bernadette (Melanie Kretschmann), ihr Sohn Micha (Nikolas Kohrt) und ihr ebenso junger Geliebter Yorick (Yuri Englert). Ein kreisrunder weißer Teppich deutet die Manege an, auf dem die Protagonisten Existenzfragen und Sinn-Konflikte wie artistische Drahtseilakte darbieten.

 

Doch häufig geraten sie ins Schlingern: Micha arbeitet sich an der Abwesenheit einer Vaterfigur ab, Yorick übt sich vergebens darin, an Gott zu glauben, Bernadette lässt sich anhimmeln und gebietet. Gerade weil jedoch die Grenzen zwischen Bühnenrolle und Schauspielern fließend sind und sich Monologe immer wieder bloß als Probedurchläufe für eine neue Szene entpuppen, bleiben Charaktere und ihre Motive verschwommen. Der größte Feind ihres kontemplativen Abdriftens ist das Drehbuch selbst, das jeden Abgang von der Bühne und jedes ihrer Worte schon festgeschrieben hat.

 

Auf diese Weise gerät die Inszenierung nicht zu der Hommage an die Passivität, die es vielleicht sein möchte. Das Stück wirkt mit seinen sich überlagernden Ebenen, bei denen die Bühne sich in immer weitere Bühnen verschachtelt, unausgegoren: Zu viele Themen werden angeschnitten und versanden wenig später in redundanten Dialogen. Die Figuren schaffen es zwar, eine Atmosphäre herzustellen, widersprechen in ihrem ständigen Bedürfnis der Selbstdarstellung aber gerade der Idee der Passivität als Negation der Zweckrationalität. Vielleicht wollte Julian Pörksen ein wenig zu viel Diskurs-Theater für neunzig Minuten — die Idee bleibt dennoch gut.

 

Foto: Tommy Hetzel

 

»Wir wollen Plankton sein«, A: Julian Pörksen, R: Melanie Kretschmann,
7., 13., 15., 22.4., Außenspielstätte am Offenbachplatz, 20 Uhr