»Sechzehn Wörter« von Nava Ebrahimi

Es ist einer ihrer letzten Auftritte: Die Großmutter, Maman-Bozorg, sitzt wie immer geschminkt vor dem TV-Gerät und schaut eine US-Gala mit exil-iranischen Schnulzen-Stars. Sie träumt sich aus ihrer Wohnung im Iran in  den Gefühls-Kitsch und träumt, selbst auf der Bühne zu stehen und von allen Männern begehrt zu werden. Dann ist Maman-Bozorg, dieses frivole Monstrum unstillbaren Lebenshungers, in Fesseln geschlagen von Demenz, tot. Enkelin Mona, Mitte dreißig, reist aus Deutschland mit ihrer Mutter, der Tochter der Alten, zur Beerdigung. Mona, im Iran aufgewachsen, verfasst als ehemalige Journalistin Biografien, doch ihre eigene ist voller toter Winkel. Durch die Reise und sechzehn persische Wörter erschließt sich Mona allmählich ihre Vergangenheit und schließlich ein Familientabu. Das alles ist wie beiläufig erzählt, doch ragen immer wieder Metaphern und Tagträume empor, die den erzählerischen Rahmen weiten. Mona, die Duldsame, gerät in eine Passionsgeschichte ohne Pathos, die sie umso klarer in den Abgrund blicken lässt. Maman-Bozorg ist dabei auch im »Himmel oder der Hölle oder was auch immer sie extra für sie eröffnen mussten« stets zugegen. Unter der ruhigen, gleitenden Sprache tobt ein Erdbeben. 

 

btb, 283 Seiten, 18 Euro