Das Recht, auf einem Bein zu stehen

Wie die Kinder-Tanz­theatergruppe Monteure die Schwierigkeiten ihres Genres meistert

Man sitzt beim Tee zusammen im wunderschönen Studio der Monteure, das Sonnenlicht glitzert durch das Glasdach des Ateliers, alles könnte ganz gemütlich sein, aber bei dem Künstlerduo Andi Lucas und Joachim von der Heiden knallt jeder Satz wie ein Faustschlag auf den Tisch. Jede Antwort wird zum Pamphlet. Sie sind empört: Kunst für Kinder wird und wird einfach nicht anerkannt. Die gesamte Bundesrepublik wird seit dem Kino-Kassenknüller »Rhythm is it« maldoomisiert: Überall wuchern nach dem Vorbild der Berliner Philharmoniker und ihres Choreografen Royston Maldoom soziokulturelle Projekte, man fördert den Tanz an Schulen, in den sozialen Ghettos der Großstädte – aber die Kinderkunst selbst kriegt nichts.

»Kinder haben ein Recht auf Kunst«

Die Kunst die von Erwachsenen speziell für jüngere Menschen kreiert wird, sagen die Monteure, profitiert nicht vom Boom, im Gegenteil. Die Stadt Köln hat zuletzt die Förderung der Monteure eingestellt. »Jetzt werden wieder zwei ganz verschiedene Dinge gegeneinander ausgespielt«, ärgert sich Andi Lucas. »Sollen die Kinder selber tanzen oder sollen sie Tanz sehen dürfen? Das ist vermaledeit! Wir wollen keine Funkemariechen mit zwanzig Siebenjährigen auf der Bühne sein. Es geht doch darum, zu sagen: Kinder haben ein Recht auf Kunst. Und zwar auf Kunst, die für sie gemacht ist und auf ihren Lebensalltag Bezug nimmt.«

Ein Urproblem für die Monteure: Seit ihrer Gründung vor bald zwanzig Jahren kämpft die Gruppe um die Anerkennung als Produzenten von Kunst. Sie haben sich so daran gewöhnt, ständig kulturpolitische Lobbyarbeit für ihre Zielgruppe zu leisten, dass sie selbst schon gar nicht mehr merken, wie sehr sie aus bloßem Legitimationszwang heraus die eigene Arbeit charakterisieren. »Unsere Ästhetik?«, fragt Andi Lucas erstaunt zurück, als man sie darauf anspricht. Wo sie sonst mit ihrem Kompagnon von der Heiden nur so losrattert, gerät sie plötzlich ins Stocken. Aber es ist ein erfreutes Zögern, und eines, das nicht zuletzt durch die Vielfalt der Monteure-Stile verursacht ist: Ihr Name sollte bei der Gruppengründung 1988 Programm sein und blieb es bis heute. Mit der Montage verschiedener Kunstformen nähert sich das Duo seinen Themen, häufig gibt es Live-Musik von ihrem oftmaligen Kom­ponisten Thomas Marey, manchmal auch wirklich opulente Bühnen­bilder. Die Stücke sind selbst­geschrieben, das Sujet entscheidet, ob die Gewichtung auf dem Tanz oder dem Theater liegt.

Körpersäfte in Wallung bringen

In der neuen Produktion dreht sich alles ums Wasser – ein klassisches Bewegungsthema. »Wir arbeiten im Tanz ja immer am Bewegungsfluss. Die Metapher zeigt schon die Nähe zum Element«, sagt Britta Lieberknecht, die als Gast-Choreografin und -Tänzerin an der Produktion für Kinder zwischen drei und sechs Jahren mitwirkt. So ahmen Lucas und Lieberknecht bei der Probe die Bewegungen von Wellen nach, oder wippen lässig auf einer »Nixenparty«. Zwei große Frauen, die mal als gewaltige Wogen über die Bühne sausen, mal erstaunlich zart und femi­nin im Nixentänzchen Arme und Torso schlängeln. Die Körpersäfte will Andi Lucas in Wallung bringen, sagt sie ironisch, die Lust an der Nachahmung solcher Bewegungen stimulieren, aber auch das Wasser als kostbare Ressource vermitteln. »Das ist nicht nur das, was aus dem Klo rauskommt, wenn man die Spülung drückt!«, schnoddert sie. Und will ihren geopolitischen Furor auf einer subtileren Ebene auch an die Erwachsenen richten.

Auch das zeichnet die Monteure aus: Ihre Stücke mögen für die Kinder vor allem faszinierende Unterhaltung sein. Für die Erwachsenen verstecken sie darin seit jeher kluge Zeitkritik. Die Gruppe war gerade mal ein Jahr in Köln, als sie den Kinder- und Jugendtheaterpreis abräumte, zwei weitere Male folgten, 1995 und 2006. In dem Jahr gewannen sie auch einen Preis beim NRW-Festival Theaterzwang. Keine andere deutsche Kinder- und Jugendtheatergruppe wird so viel ins Ausland eingeladen: Schweden, Polen, die Niederlande, die Türkei. Nur als Tourneetheater können die Monteure überhaupt existieren. Sechzig Prozent ihrer Gelder nehmen sie bei einer beeindruckenden Auslastung von 80 bis 85 Prozent selbst ein. Den Rest – und hier kommen wieder die Ausrufezeichen – brauchen sie von Stadt und Land. Noch hoffen sie auf ein Einsehen Kölns. Immerhin haben sie mit dem Bürgerhaus Stollwerck gerade einen Kooperationspartner gewonnen: Bis Dezember wird es dort zehn Spielblöcke mit den Monteuren geben, in denen die Gruppe Stücke aus den letzten vier Jahren sowie das neue Wasser-Stück »blaues gold« präsentiert.

»Wir sind total moralisch«

Trotz der kulturpolitisch verursachten Blessuren – ihren Idealismus haben die Monteure nicht verloren: »Wir sind total moralisch«, sagt Andi Lucas lachend. Sie glauben an die »ästhetische Erziehung«, an das Theater als Ort der Bildung und Wertevermittlung, ihre Motivation ist die Liebe zu ihrem Publikum. »Die Kinder sind mit vier, fünf Jahren schon Rechtsanwälte oder Ökonomen, die verbal exzellent begründen können, warum sie was haben wollen. Aber auf einem Bein stehen, können sie nicht.« Britta Lieberknecht, die Externe, unterbricht schon mal nüchtern die moralischen Temperamentsausbrüche der Monteure. Doch Lucas und von der Heiden gelingt auch selbst die Rettung aus der Empörung in den Humor. Zwei stark selbstironische Missionare – mit viel Arbeit vor sich. Denn das Heil ist noch in weiter Ferne.

Monteure im April:
»blaues gold« Tanztheater für Kinder von 3-6 Jahren, von und mit Andrea Lucas und Britta Lieberknecht, Uraufführung,
Dauer: ca. 40 Min., Bürgerhaus Stollwerck, 1.4., 11 Uhr (P), 16 Uhr, 2., 3.4., 10 Uhr.

»anna und otto« Tanztheater für
Kinder von 4 -10 Jahren und Familien,
Bürgerhaus Stollwerck, 14., 15.4.,
16 Uhr, 16.4., 10 Uhr.

Karten:
www.theater-monteure.de oder Tel.: 0163/9719837.