endlich meins

Diesen Monat trifft sich die internationale Kunstszene zum neuen Frühlingstermin der Art Cologne – darunter Kunstsammler aus Köln und aller Welt. Sammler sind Kunstförderer, Sammler haben Macht, Sammler sind Jäger und Konservatoren. Kunstsammeln ist in - warum eigentlich?


Die Passion, der Markt, die Kunst und ihre Lieb­haber: Über das Kunstsammeln in Boomzeiten


Eine der letzten Ausstellungen vor dem Abriss der Josef-Haubrich-Kunsthalle versammelte nicht einfach nur Kunstwerke. »Wahre Wunder – Sammler & Sammlungen im Rheinland« verriet viel über jene Spezies Mensch, die Kunst entdeckt, kauft, anhäuft und an den Museen der Zukunft baut: private Sammler. In Köln und der Region gibt es ein besonders hohes Aufkommen, und welche Schätze Sammler in Privatwohnungen, Lagern und Depots horten, konnte die Ausstellung eindrucksvoll belegen. Schwieriger ist die Frage zu beantworten: Warum tun sie das eigentlich? Jenseits der Aussicht auf Wertsteigerung, die angeblich den wahren Sammler gar nicht interessiert? Und was treibt den renommierten Top-Sammler Francoir Pinault, der sich 2005 als Handwerker verkleidet vor der Eröffnung in die Kunstmesse Basel einschmuggelte, nur um als allererster die Werke zu sichten?

»Unbehandelbare Serientäter«

In seinem Text für den Ausstellungskatalog »Wahre Wunder« begnügt der Schrift­steller Thomas Kling sich nicht mit dem sympathischen Topos der Sammelleidenschaft: »Sammler sind Triebtäter«, heißt es da, »unbehandelbare Serientäter«, die ein Leben lang an der Nadel hängen, »wir sprechen von der Seh-Nadel«. Der Foto-Sammler Daniel Kothen­schulte (s. Porträt) outete sich letztes Jahr bei einem Symposion als Abhängiger und bezeichnete die Sammel-Sucht als »multiple Charakterschwäche«; neben Lastern wie Raff­gier und Nicht-Nein-Sagen-Können gehöre dazu die Verleugnung der eigenen Sterblichkeit. Ist Sammeln ein Indikator für Neurosen mit zwanghafter Persönlichkeitsstruktur? Ver­mutlich, genauso wie Bücher schreiben, das Ausüben von Extremsportarten und Schokoladenexzesse. Ansonsten sind Kunstsammler natürlich normale Zeitgenossen, die mit ihrer Passion, statistisch gesehen, ziemlich glücklich werden. Ihre Motivationen sind so unterschiedlich wie die Sammlungen und Sammler­typen: Die Liebe zur Kunst betonen alle, die Kunst ent­decken, bewahren und mit ihr leben – außerdem geht es in unterschiedlicher Gewichtung um Pres­tige, soziale Kommunikation, Forschung, Künstlerförderung, Eitelkeit, Konkurrenz, Besitzstreben und Investition.

Sammler und Jäger

Gerard Goodrow, der Leiter der Art Cologne, unterscheidet grundsätzlich zwischen »Käufern« und »Sammlern«. Sammler sind jene, die im Laufe der Zeit ein eigenes Gespür für Qualität entwickelt haben und mehr oder weniger systematisch eine Gesamtkollektion aufbauen, in der Bezüge unter den Werken sichtbar werden. Wie ein Bücherregal trägt sie die »Handschrift« der Sammlerpersönlichkeit, spiegelt Vorlieben, Interessen und intellektuelle Tätig­keit. Zu den Käufern hingegen zählt Goodrow alle ziellosen Spontantäter – und die Spekulan­ten. Ersetzt man das hässliche Wort Spekulation durch Wertsteigerung, dürfte in der Reali­tät die Grenze zwischen beiden Gruppen ungleich fließender sein. Der Mitbegründer der Art Cologne Rudolf Zwirner vermutet, das heute sechzig bis siebzig Prozent der Kunstkäufe spekulativ getä­tigt werden, und für Speku­lanten ist der unge­brochen boomende Kunstmarkt ein Paradies.

Rekorde und Glamour

Laut Rechnung der European Fine Art Foundation betrug der Umsatz mit Kunst im Jahr 2006 um die dreißig Milliarden Dollar. Seit die großen Auktionshäuser auch mit »Contemporaries« handeln, die hippen Kunstmessenevents in London und Miami immer mehr Käufer locken und Kunstfonds mit »Bluechip-Künstlern« als sichere Anlage winken, sind die Preise exponential gestiegen. Kunst kaufen ist in: Besser als bei Autos, Jachten und Immobilien verbinden sich im Kunstkauf kultureller Anspruch, Gewinnchancen und Glamour. Bis zu vierzig Prozent Preissteigerung in einem Jahr, solche Aussichten locken neue Käufer, die das Risiko allen­falls kitzelt. »Die Hedge-Fond-Jungs werfen mit Geld um sich wie mit Konfetti«, kommentierte ein Connaisseur die Rekordzahlen 2006. Bei den großen Aktionen tauchen Bieter mit zweistelligen Millionenbe­trägen auf, die niemand kennt. Kommt es noch mal zu einem Crash wie 1990, als der Kunstmark komplett zusammenbrach? Gerard Goodrow verneint, diesmal sei genug »reales Geld« im Markt.

Die Probleme sind andere: Die derzeitigen Preise können viele Sammler und Museen nicht mehr bezahlen. Immer komplizierter wird das Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten zwischen Sammlern, Museen und Markt. Manchem Sammler, der diskret seine Käufe tätigt, ist die gegenwärtige Kunstparty entschieden zu laut. Aber natürlich muss niemand mitfeiern. Wer sammelt, weil er die ganz private Begegnung und Auseinandersetzung mit Kunstwerken schätzt, geht eben nicht hin. Und wer Geld für ein Kunstwerk ausgibt, weil es ihm immens viel bedeutet, wird das auch dann nicht bereuen, wenn die Wertsteigerung bei Null liegt.

Weitere Infos und drei Porträts von Kölner Sammlern sind in der aktuellen Print-Ausgabe der StadtRevue nachzulesen, die ab dem 28.3. im Handel oder hier zu kaufen ist!