Drähte zur Welt

Zwei famose Zeichnerinnen in Kölner Galerieausstellungen

Spätestens seitdem das Verhältnis zwischen Mensch und Welt bedenklich geworden ist, wird gezeichnet, gedankenverloren, absichtsvoll. Als wäre die Linie — womit auch immer gezogen — der Trennungsstrich und zugleich die einfachste, direkte Verbindung zwischen dem Einzelnen und dem Rest der Welt. Die Zeichnung ist eine Art Universalie, Basis diverser Künste, eine Verbindung, ein Tun unabhängig von Schulen, Zeiten und Konzepten. Denkbar verschiedenen Formen der Handhabung dieses Urmediums sind aktuell in zwei Galerien zu entdecken.

 

Direkt, vor dem Motiv bzw. im Motiv stehend, manchmal liegend, in den Räumen, den Straßen, die Gegenstand ihrer Zeichnungszyklen sind, entstehen die Bleistiftzeichnungen von Barbara Camilla Tucholski (*1947). »Vor Ort« ist ihre Ausstellung bei Werner Klein betitelt. Die Konzentration dieser ganz dem momentanen Augenmerk verpflichteten Form des Zeichnens, die auf Möglichkeitsfülle und Präzision der Linie vertraut, übersetzt das Augenblickliche, Sichtbare — sei es eine Pusteblume, eine Straße in Italien oder ein Raum im Geburtshaus der Künstlerin — in die Sichtbarkeit der Zeichnung. Es sind subjektive Aufmerksamkeitsnotate, also voller Auslassungen, Leerstellen und daher vollständig beim Hinsehen. Eigentlich (er)­findet Barbara Camilla Tucholski ihre Orte »vor Ort« zeichnend, mit den Mitteln der Zeichnung noch einmal, neu. In ihnen Blättern ist aufgehoben, was der Augenblick hergibt.

 

Wie Tucholski ist die bei New York lebende Amerikanerin Jill Baroff (*1954) nicht ausschließlich, aber vor allem Zeichnerin. Ein großer Teil ihrer Papierarbeiten überführt statistisches Datenmaterial zu den sich ständig verändernden Wasserständen des Hudson River in systematische Tintenzeichnungen, die das regelgeleitete Arbeiten zwar noch ahnen lassen, sich zugleich aber als visuell betörende Entsprechungen des durch diverse abstrahierende, distanzierende Filter gelaufenen Wassers zeigen. Bewegt, wie fließend, wie von Reflexen durchzogen erscheinen die im Detail eleganten Linienabfolgen. Operieren die allein mit schwarzer Tinte ausgeführten Blätter an der Grenze des gerade noch Überschaubaren, so sind die neuesten, farbigen Arbeiten schöne Zumutungen, verhalten flackernd Linienspiele, die von der Permanenz der Veränderung handeln.