Düsterer Blick aufs nächste Jahrzehnt: Kreidler, Foto: Chrisa Ralli & Melina Pafundi

Kreidler

Das Elektronikquartett aus Düsseldorf zelebriert die strategische Widerborstigkeit

Es ist ja so eine Sache mit der beabsichtigten Wirkung des eigenen Han-delns und der darauf folgenden Rezep-tion. Als Instrumentalband in Düsseldorf gegründet, wollten Kreidler sich nie auf einen (Krautrock-)Sound und schon gar nicht auf ihre Herkunft reduziert sehen. Man muss die Abwesenheit von Stimmen und Worten in ihrer Musik als Bedingung eines herbeigesehnten, großzügigen Möglichkeitsraums lesen. Und doch sollte die Band — und nicht zu ihrem Schaden — in die Schubladen -Düsseldorf und Krautrock ein-sortiert werden. 

 

Kreidler waren von Anfang an als ein offenes Konzept angelegt, in dem Versatzstücke von Postrock und Ambient genauso ihren Ort finden wie Soundtrack-Anklänge und avant-gardistische Synth-Pop-Stilsicherheiten. In ihren stärksten Momenten geben sie sich gleichermaßen streng und frei, zusammengehalten von der immerwährenden Suche nach Schönheit in ihrer Musik. 

 

Lange Zeit sorgte dieser Einflusskanon in Verbindung mit der für Kreidler so bedeutenden moder-nistischen Geste der Zeitgeistigkeit (in positiver Lesart) dafür, dass in jedem neue Kreidler-Album ein Bruch zum Vorgänger anlegt war. Sie wollten auf keinen Fall riskieren, stehen-zubleiben — man höre sich die Albenfolge »Appereance in the Park« (1996), »Mort aux vaches« (1999) und »Kreidler« (2000) an. Gen Ende der Nuller Jahre ebbte dieser selbstgesetzte Innovationsdruck etwas ab — einem Album wie »Mosaik 2014« (2009) fehlte schon der Drang zum Anderssein. Was aber nicht weiter stört, da man selbst dann das bekommt, was man an Kreidler mag: klare Songstrukturen, hybride rhythmische Patterns und eine Stimmung, die Platz für eigene Träume lässt.

 

Das aktuelle Album »European Song« (Bureau B) zeugt von einer Besinnung auf strategische Widerborstigkeit: Detlef Weinrich, Thomas Klein, Andreas Reihse und Alexander Paulick stellen sich und die Welt um sie herum in Frage — so radikal, dass sie ein fertiges Album verworfen haben, da sie die Notwendigkeit fühlten, deutlicher mit der Musik Stellung zu den Problemen und Bedrohungen der Zeit zu nehmen. So entstand im düsteren Schatten einer drohenden neuen Weltordnung ein Album, das eng mit Namen wie Erdogan, Trump und Putin verbunden ist — ein dunkler Kristall.

 

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