Intensiver Blick: Tristan Garcia, Foto: Catherine Hélie/Verlag Gallimard

Eine andere Intensität ist möglich

Tristan Garcia mag Punk und Adorno. Gerade hat der französische Philosoph seinen Essay "Das intensive Leben" veröffentlicht.

Beim letzten Auftritt in Köln vor fünf Jahren zeigte sich Tristan Garcia bescheiden. Mit dem Roman »Der beste Teil des Menschen« hatte der inzwischen 36-jährige Philosoph zuvor in seinem Heimatland Frankreich für großes Auf-sehen gesorgt, es anlässlich der Lesung im King Georg jedoch nicht mal für nötig befunden, ein Original mitzubringen. Zum Glück zog eine Besucherin spontan ein Exemplar aus der Tasche, und der Autor hatte sichtlich Freude beim Vorlesen und an der folgenden Diskussion.

 

Schon Garcias Romandebüt drehte sich auf seine Art um »Das intensive Leben«. So lautet jetzt auch der Titel des philosophischen Essays, den er auf der phil.Cologne vorstellen wird. Während es in »Der beste Teil des Menschen« um das Pariser Nachtleben und die schwule Kultur der 80er und 90er Jahre geht, von deren Intensität sich Garcia durchaus fasziniert zeigte, nimmt er diesen Begriff im aktuellen Essay kritisch auseinander. So wie einst Herbert Marcuse die »Freiheit« in den falschen Händen als »Herrschaftsinstrument« enttarnte, klärt Tristan Garcia dar-über auf, dass intensives Leben in der neoliberalen Gesellschaft Konsequenzen hat, und zur »modernen Obsession« wird, deren Auswir-kungen nicht so cool sind wie der Mythos vom elektrisierenden Leben es verspricht. Die zerstörerische Intensivierung der Landwirtschaft und grassierender Burnout durch eine gesteigerte Arbeitsintensität sind zwei der Gegenstände, denen gegenüber Garcia sich bemüht, eine Ethik der Intensität zu formulieren.

 

Bereits als sein Debütroman 2008 herauskam, betrachtete sich Garcia nicht so sehr als Romancier. Er lehrte schon damals Philosophie — in Amiens, vor den Toren von Paris —, und war unter anderem mit einer komplexen Abhandlung über Form und Objekt beschäftigt. Allerdings offenbarte er nicht nur mit seinem eher leichtfüßigen Roman Affinität zur Popkultur. Garcia hat seine Wurzeln im Punk, er steht auf HBO-Serien und spricht ebenso lange und spannend über französische Literatur oder seinen Lieblingsfußballklub aus der Geburtsstadt Toulouse, wie man sich mit ihm über Adorno unterhalten kann, ohne dass es langweilig wird. Dieser interessante Typ sollte, pardon, für einen intensiven Abend sorgen.

 

 

StadtRevue präsentiert

Lesung im Rahmen der phil.Cologne, Sa 10.6., Comedia, 19.30 Uhr

Tristan Garcia: »Das intensive Leben«, Suhrkamp, 215 Seiten, 24 Euro