Bestellung mit Hindernissen: Gäste im »Café ohne Worte«, Foto: Thilo Schmülgen

Gebärden für Anfänger

Im »Café ohne Worte« servieren ­hörgeschädigte Kellner

 

Das Café Excellent liegt im Bezirksrathaus Kalk und wirkt ein bisschen so, wie man sich eine Kantine für den öffentlichen Dienst vorstellt: Mannshohe Topfpflanzen schmücken den gekachelten Raum, geblümte Papierservietten die Tische. Unter den Gästen an diesem Abend sind allerdings nur wenige Rathausmitarbeiter, stattdessen Kinder und Senioren, vor allem aber junge Leute im Studentenalter. Viele spielen Gesellschaftsspiele. Obwohl der Laden gerammelt voll ist, hält sich der Lärmpegel in Grenzen. Ein Großteil der Gäste unterhält sich nicht mit Worten, sondern mit Händen: An diesem Abend macht das »Café ohne Worte« hier Station, eine von Kölner Studenten organisierte Veranstaltung an wechselnden Orten, bei der gehörlose Kellner servieren. Wer eine Bestellung aufgeben möchte, muss das in Gebärden-sprache tun. 

 

Frederike Höfermann ist eine der Studentinnen, die das Café organisieren. Bis vor wenigen Jahren hatte sie kaum etwas mit Gehörlosen zu tun. Sie studiert nicht etwa Soziale Arbeit oder Sonderpädagogik, sondern Betriebswirtschaft. Durch Kommilitonen stieß sie auf eine Initiative namens Enactus — laut Selbstbeschreibung ein weltweites Netzwerk von Studierenden, das »mit unternehmerischen Projekten die Welt nachhaltig verbessern« möchte. Die Studenten werden dabei von Unternehmern betreut, so genannten Business Advisors. 

 

»Vor zwei Jahren berichtete unser Business Advisor von einem Restaurant in Toronto, in dem ausschließlich gehörloses Personal arbeitete, und er schlug uns vor, etwas ähnliches in Köln aufzumachen«, sagt Höfermann. So sollten Gehörlose, die oft nur schwer eine Arbeit finden, einen Job bekommen. Ein Café in Köln zu eröffnen, erwies sich allerdings als zu teuer, so dass Höfermann und ihr Team eine Agentur gründeten. Nun bieten sie bestehenden Cafés »Eventpakete« für einen Abend an, samt Kellnern, Flyern, Speisekarten in Gebärdensprache und selbst entwickelten Spielen wie dem Fingeralphabet-Memory.

 

»Wir wollten ausprobieren, ob sich überhaupt jemand dafür interessiert«, erzählt Frederike Höfermann. Die Probe klappte ziemlich gut: Gleich beim ersten Café ohne Worte, das im Mai 2016 im Asta-Café stattfand, kamen 150 Gäste. »Es war so voll, dass Fremde sich den Tisch teilen mussten und die Leute in den Gängen standen«, erzählt sie. Das sei für die Kellner zwar anstrengend, aber für den Erfolg des Abends auch gut gewesen. »So sind die Leute ins Gespräch gekommen.«

 

Das sei das Entscheidende beim Café ohne Worte: Es soll Begegnungen schaffen zwischen Hörenden und Hörgeschädigten. Die Kellner bilden dabei die Brücke. 

 

»Viele Gehörlose leben in einem abgeschlossenen Kosmos — ganz einfach deshalb, weil Hörende mit ihnen nur sehr eingeschränkt kommunizieren können«, erzählt Magdalena Berks. Sie ist die einzige im Team, die Gebärdensprache spricht und auch in ihrem Job mit Gehörlosen zu tun hat. »Deshalb haben sie ihre eigenen Sportvereine, Theater- und Kinovorführungen.« Berks′ Konterfei prangt dutzendfach auf der Speisekarte; sie zeigt dort, wie die Gebärden für die Speisen und Getränke aussehen. 

 

Nicht immer sind die Vorführungen der Gäste überzeugend. »Hörende gebärden anders als Gehörlose. Wenn sie etwas bestellen, muss ich zweimal überlegen und meist auf die Bilder zeigen, um sicher zu gehen, dass ich sie verstanden habe«, erzählt Lisa Ehrlich, die an diesem Abend kellnert. »Ich finde es aber gut, dass die Hörenden sich mal mit unserer Sprache auseinandersetzen müssen.«

 

Als es später wird, postieren sich vor der Tür die üblichen Rauchergrüppchen, einige Kellner setzen sich zu den Gästen. Der Gedanke, dass es eine Eventagentur braucht, um Hörende und Gehörlose zusammenzubringen, mag gewöhnungsbedürftig sein. Doch an diesem Abend funktioniert es. Bald soll das Café auch außerhalb Kölns stattfinden, es gibt Anfragen aus Aachen und Bochum. Frederike Höfermann sieht zufrieden aus. »Eigentlich gut, dass ein eigenes Restaurant für uns zu teuer war. So kann sich unsere Idee auch in anderen Städten verbreiten.«